Künstliche Intelligenz lernt aus vorangegangenen Situationen, um künftig schneller auf bereits «erfahrene» Lagen reagieren zu können. Eine Studie ergab, dass diese «Vorausschau» mit einer Genauigkeit von bis zu über 85 Prozent möglich ist – bis zu sieben Sekunden vor einem potentiell kritischen Vorfall.

Das macht Hoffnung. Denn die millionenfache Zahl von Möglichkeiten, in die selbstfahrende Systeme geraten können, scheint Entwickler und Ingenieure seit einigen Jahren vor eine Aufgabe zu stellen, die selbst einer Sagengestalt wie Sisyphos Respekt hätte abringen müssen. Jetzt hat ein Forschungsteam der TU München ein neues Frühwarnsystem für autonome Fahrzeuge entwickelt, das aus Tausenden realen Verkehrssituationen Konsequenzen zieht. Eine Studie in Zusammenarbeit mit der BMW Group zeigt, dass das System bei heutigen selbstfahrenden Entwicklungsfahrzeugen einen wichtigen Zeitvorteil schafft.
Das Team um Professor Eckehard Steinbach, Inhaber des Lehrstuhls für Medientechnik und Mitglied des Board of Directors der School of Robotics and Machine Intelligence, verfolgt den Ansatz, die Situationen gezielt auszuwerten und zu extrapolieren, in denen die Maschine den Menschen zum Eingreifen auffordert, nachdem sie an ihre Systemgrenzen gestossen ist.

Bilder: TUM

Dabei erfasst die Technologie mit der Hilfe von Sensoren und Kameras die Umgebung und zeichnet den Zustand des Fahrzeugs auf, also beispielsweise den Stand des Lenkrads, die Beschaffenheit der Strasse, das Wetter, die Sicht und die Geschwindigkeit. Die auf einem sogenannten rekurrenten neuronalen Netz (RNN) basierende KI lernt, aus diesen Daten Muster zu erkennen. Wird dieses Muster in einer neuen Fahrsituation wiedererkannt, weil es in der Vergangenheit unter diesen Umständen schon einmal zu einer Überforderung der automatisierten Steuerung kam, wird der Fahrer oder die Fahrerin Dank der KI frühzeitig gewarnt. Steinbach: «Die KI entdeckt auch potenziell kritische Situationen, die in Modellen vielleicht nicht oder noch nicht erkannt wurden.»
Das Forschungsteam hat die Technologie gemeinsam mit der BMW Group und deren automatisiert fahrenden Entwicklungsfahrzeugen im öffentlichen Strassenverkehr getestet und dabei rund 2500 Situationen ausgewertet, in denen die Fahrerin oder der Fahrer eingreifen mussten.

Voraussetzung für das Funktionieren der Technologie ist das Vorhandensein einer bereits grossen Datenmenge. Studienautor Christopher Kuhn: «Jedes Mal, wenn es bei Testfahrten zu einer potenziell kritischen Situation kommt, fällt ein neues Trainingsbeispiel für uns dabei ab.» Die zentrale Speicherung der Daten mache es möglich, dass jedes Fahrzeug aus den Aufzeichnungen der gesamten Flotte lerne.

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