Zahlreich sind die Auszeichnungen, die Michael ten Hompel als Vorstand des Fraunhofer IML über die Jahre hinweg verliehen wurden. Da war die Fraunhofer-Medaille Ende Mai schon beinahe überfällig. Ihm ist es zu verdanken, dass die Logistik ihren Weg in die Reihe der wissenschaftlichen Disziplinen gefunden hat.
Offiziell ging ten Hompel, wie berichtet, bereits Ende März in den Ruhestand. Anlässlich einer eher internen Veranstaltung wurde dem «Logistikpapst» und Vater der «Silicon Economy» die Medaille durch Elisabeth Ewen, Vorstandsmitglied der Fraunhofer-Gesellschaft, der europaweit grössten Organisation für angewandte Forschung, überreicht. Seine Verdienste um die Fraunhofer Enterprise Labs, die Silicon Economy und die Open Logistics Foundation sind an weit mehr als nur einer Hand kaum aufzuzählen.
In jungen Jahren
Michael ten Hompel war in den zurückliegenden Jahrzehnten einer der massgeblichen Schrittmacher, wenn nicht gar der führende Kopf der Logistikbranche schlechthin. Vom Internet der Dinge über die Shuttle-Technologie bis zu smarten Devices und Roboterschwärmen trieb er die technologische Weiterentwicklung voran und brachte sie mit weitsichtigen Ideen wie dem Digitalen Kontinuum, der Social Networked Industry und seiner KI-Forschung auf ein neues Niveau.
Wie keinem Zweiten, sagen Mitarbeiter, Entwicklungspartner und renommierte Wissenschafts-Kollegen, sei es ihm gelungen, Wissenschaft und Praxis erfolgreich miteinander zu verknüpfen und gleichzeitig die Logistikforschung auf die Agenda von Wirtschaft und Politik zu heben.
Beim Zukunftskongress. Foto: klk.
Ten Hompel gilt als einer der Erfinder der Shuttle-Technologie in der Intralogistik, wofür das Institut 2004 mit dem renommierten VDI-Innovationspreis für Logistik prämiert wurde und die in der Entwicklung neuer Generationen autonomer Fahrzeuge mündete (evoBOT, LoadRunner et al.). Zudem gilt er als einer der Väter des Internet der Dinge (IoT). Hier hat er die Vision von sich selbst steuernden und miteinander kommunizierenden «Dingen», wie auch die Schwarm-Technologie unermüdlich vorangetrieben und sukzessive um Bausteine zur Umsetzung erweitert. Dazu gehören auch smarte Devices und Social Machines, die in der von ten Hompel ausgerufenen «Social Networked Industry» eine partnerschaftliche und vertrauensvolle Zusammenarbeit von Menschen und Künstlicher Intelligenz erlauben.
Sein interdisziplinärer Ansatz schuf einen Logistikstandort, der seinesgleichen sucht. Mehr als 20 Jahre war ten Hompel führender Kopf nicht nur des Fraunhofer IML, sondern gleichzeitig Inhaber des Lehrstuhls für Förder- und Lagerwesen an der TU Dortmund. Mit grosser Aufmerksamkeit wurde verfolgt, dass er seit 2022 (und noch bis Ende diesen Jahres) auch Direktor des Lamarr-Instituts für Maschinelles Lernen und Künstliche Intelligenz ist.
Die Fraunhofer-Medaille...
In der Vergangenheit konnte er in besonderem Masse zur Weiterentwicklung und Innovationskraft des Wissenschafts- und Technologiestandorts Dortmund beitragen. Als Brückenbauer zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft leistete er einen wichtigen Beitrag zum Dialog und zur Strukturentwicklung der europäischen Logistiklandschaft.
2019 wurde er in die Innovationskommission des Verkehrsministeriums (seinerzeit BMVI) berufen. Ein besonderes Highlight seines politischen Wirkens war zudem der Digital-Gipfel der Bundesregierung in demselben Jahr, als ten Hompel dem gesamten Bundeskabinett, angeführt von Kanzlerin Angela Merkel, seine Vision von der «Silicon Economy«, der offenen Plattformökonomie für Deutschland und Europa, präsentierte.
Die «Silicon Economy« war eines von zahlreichen Grossforschungsprojekten, die ten Hompel nach Dortmund holte. Es wird noch bis Ende 2024 mit über 20 Millionen Euro vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) gefördert. Das grösste Projekt seiner Karriere war jedoch der zehn Jahre zuvor gestartete BMBF-Spitzencluster «EffizienzCluster LogistikRuhr». Mit über 100 Millionen Euro gilt er bis heute als das grösste Forschungsprojekt in der Logistik.
Der Cluster trieb die Logistikforschung in Deutschland in grossen Schritten voran. Das Projekt mündete schliesslich in der Logistik 4.0 und in der Entwicklung der Logistik als Technologiebranche. Zu dieser Zeit wurde ten Hompel auch zum ersten Vertreter der Logistikwissenschaften in der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (acatech).
Mit Nachfolgerin A. Kirchheim. Bild: klk.
Weitere Grossforschungsprojekte und Initiativen, an denen ten Hompel Anteil hatte, waren 2007 die Gründung der Fraunhofer Academy, deren vorsitzender Direktor er bis 2017 war, die Verstetigung des Lamarr-Instituts für Maschinelles Lernen und Künstliche Intelligenz, an dem er bis heute Direktor ist, sowie die International Data Spaces (vormals Industrial Data Space), die er zusammen mit den Kollegen Boris Otto und Stefan Wrobel vor etwa zehn Jahren aus der Taufe hob. In dieser Zeit (2014 bis 2018) wurde ten Hompel zusätzlich in die Institutsleitung des Fraunhofer-Instituts für Software- und Systemtechnik ISST berufen und sicherte die Selbständigkeit des Instituts in Dortmund, das heute sehr erfolgreich von Boris Otto geführt wird.
In der Verbindung von Informatik und Logistik brachte ten Hompel 2021 als Vorsitzender des Kuratoriums die Open Logistics Foundation auf den Weg, eine technologisch wegweisende Stiftung führender, international tätiger Logistikunternehmen, die die gemeinschaftliche Entwicklung von Open-Source-Logistiksoftware und -hardware fördert.
Das Format der «Fraunhofer Enterprise Labs» entstand 2013 am Fraunhofer IML als neue Form der Zusammenarbeit zwischen Unternehmen, Forschung und Entwicklung. Dabei verabreden Unternehmen und das Fraunhofer IML eine mindestens dreijährige Kooperation in agilen Teams und mit flexiblen Forschungsschwerpunkten. Für die gemischten Teams steht seit 2016 auch das von ten Hompel initiierte und neu gebaute «Enterprise Lab Center» am Fraunhofer IML zur Verfügung. Dort lassen sich auch Prototypen direkt vor Ort entwickeln und in Kleinserien fertigen. Im zurückliegenden Jahr feierte das Format den Gewinn des renommierten Deutschen Logistik-Preises, bei dem das Fraunhofer IML und sein Lab-Partner Dachser für die im gemeinsamen Enterprise Lab entstandene Lösung «@ILO» ausgezeichnet wurden.
Michael ten Hompel ist seit 2012 Mitglied der internationalen «Logistics Hall of Fame«. 2017 erhielt er die Ehrendoktorwürde der ungarischen Universität Miskolc, 2018 die goldene Ehrennadel der Bundevereinigung Logistik (Mitglied des Vorstandes der BVL 2006 bis 2018) und 2019 den Ehrenpreis international des «Hermes Verkehrs.Logistik.Preis«. Darüber hinaus ist er «Bürger des Ruhrgebiets 2018«, eine Auszeichnung für Persönlichkeiten, die sich durch ihr Wirken in herausragender Weise um das Ruhrgebiet verdient gemacht haben. 2020 erhielt ten Hompel zudem den Innovationspreis des Landes NRW in der Kategorie «Ehrenpreis« für seine herausragenden Beiträge zu nachhaltigen Veränderungen in Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft. 2023 hat der Bundespräsident ten Hompel für sein herausragendes Engagement im wissenschaftlichen Bereich mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Zuletzt erhielt er im Februar 2024 den Dortmunder Dialogpreis für seinen herausragenden Beitrag zum Strukturwandel und der Innovationskraft der Stadt Dortmund.
Michael ten Hompel steht dem Institut weiterhin beratend zur Seite. Zum 1. April 2024 trat Prof. Dr.-Ing. Alice Kirchheim seine Nachfolge an.
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