Abb.: Eraneos
Künstliche Intelligenz könnte massgeblich dabei helfen CO2-Werte und Energieverbräuche in der Temperaturgeführten Logistik zu senken. Das ergab die Generalversammlung des Schweizerischen Verbandes für Temperaturgeführte Logistik (SVTL) im Conference Center am Sempacher See.
Zu Zeiten des Klimawandels aber auch steigender Ansprüche an Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit und Planbarkeit der Lieferketten steigen die Anforderungen an Prozesse und Technologien, die zur Aufrechterhaltung spezifischer Temperaturen oder Temperaturspannen während des Transports und der Lagerung von Gütern einzuhalten sind. Ganz offensichtlich ein breites Feld, um lernfähige Systeme einzuführen, die im komplexen Zusammenspiel zwischen Energiekosten, physikalischen Möglichkeiten und Verfügbarkeit der Anlagen in Minutenschnelle Hunderte von Modellen für die stromsparende Steuerung von Kühlsystemen, Verflüssigern, Schiebern und Verdampfern durchkalkulieren, ohne den eigentlichen Betrieb zu beeinträchtigen.
Sagt zum Beispiel Holm Riedel, Consultant und Dienstleister eines Unternehmens namens «Energeering», das sich mit Strombeschaffung, Lastmanagement und digitalen Chancen für Grossabnehmer befasst und bislang rund 200 Standorte in Deutschland – darunter etliche des deutschen Kühlverbandes VDKL – mit teils erheblichen Reduzierung ihrer Energiekosten «beglückt» hat.
Im Rahmen seiner Hauptversammlung am Sempacher See widmete sich der schweizerische SVTL begleitenden Expertenvorträgen über KI in der Logistik und Tiefkühllogistik, Fragen zu Energie-Versorgung und Nachhaltigkeit. Der Verband habe 2023 die Gelegenheit genutzt, sich teils neu, und was die Berücksichtigung weiterer Spektren im Umfeld betrifft, auch weiterhin zu positionieren, so Präsident Marco Manzetti. Eine Umfrage, die auf den Wechsel von Georg Burkhardt auf Christian Pauli in der Geschäftsführung folgte, habe gezeigt, dass man «auf dem richtigen Weg» sei.
M.Manzetti, Chr. Pauli
2023 bewegte sich der SVTL mit einer Online-Veranstaltung zum Stromsparen, einem Vor-Ort-Event bei der Transgourmet in Kriens zur Lager-Automatisierung, einer Führung anlässlich der GV in der Umweltarena in Spreitenbach, wie auch einem Abend zu Arbeitssicherheit und Störfallrisiken entlang einer sachdienlichen Linie. Manzetti: «Initiativen zur Reduzierung des Energieverbrauchs und zur Verwendung umweltfreundlicher Technologien gewinnen an Bedeutung, Fortschritte in Digitalisierung und Automatisierung tragen dazu bei, Effizienzen zu steigern und Echtzeit-Daten für schnellere Entscheidungsfindungen abzusichern».
Mit der Globalisierung der Märkte würden allerdings auch die Anforderungen an temperaturgeführte Netzwerke komplexer und umfangreicher. Die Schweiz hält hier mühelos Schritt. Der mit einem knapp sechsstelligen Budget ausgestattete SVTL beteiligt sich aktiv an der Begleitung und Ausgestaltung technischer Innovationen. Manzetti: «Wir sind kein Wohlfühlverband, sondern wollen voran kommen».
Fallbeispiel «Swissdrink». Grafik: AWK/Eraneos
Anlässlich des Rahmenprogramms sucht Raphael Pfarrer, der sich unter dem Consulting-Dach von Eraneos (AWK) durch den Begriffs-Dschungel von Maschinellem Lernen über «Deep Learning» bis hin zur selbsttätig agierenden Künstlicher Intelligenz kämpft, Digitalisierung und «KI» in die Logistik zu transformieren. Weil er hier «extrem viel Potenzial» sehe, wie er sagt.
Beispiel «Swissdrink»: Dort waren schon mal 75 Hersteller und 110 Grossisten mit 12364 Artikeln unter einen Hut zu bringen. In Form eines manuell bewältigten Papierkrieges habe man 75 Prozent der Lagerbestände korrekt zuordnen können. Mit «KI» sei es gelungen, in diesem durch permanenten Warenumschlag extrem dynamischen Bereich bei 95 Prozent Genauigkeit zu landen.
Bereits realisierte Beispiele bei Emmi, der Schweizerischen Post, Tourenoptimierungen, beim Zoll (wo man leider auch beim «racial profiling» landete) und in den kaufmännischen Abteilungen etlicher Unternehmen zeigten, dass hier schon einiges im Gange ist.
Die Qualität bereits vorhandener Datensätze sei von grosser Bedeutung. «Achten Sie darauf», so der IT-Experte. Sonst leide das Ergebnis schnell unter dem «shit in – shit out»-Problem: Der Output könne nicht besser sein, als es die Genauigkeit der erhobenen Daten erlaube.
«Energeering»-CEO Holm Riedel verglich zwei Kälteanlagen mit jeweils rund 400.000 m³ bzw. 100.000 Stellplätzen an Kapazität, 89% und 91% Auslastung bei nahezu identischen Strompreisen (um 24 Cent/kwh) miteinander. Mit einem ausgefeilten Strom-Management landete das eine Unternehmen bei 4,2 Mio. kWh und 1,02 Mio. Euro an Energiekosten. Das andere, bei dem zurzeit Optimierungen im Gange seien, bei 7,1 Mio. kWh und 1,72 Mio. an Stromkosten. Kostenvorteil durch ein umfassendes Energiemanagement mithilfe von rund 500 Datenpunkten an Verdichtern, Anpassung von Arbeitsdrücken, Neujustierungen an Verdampfern, Schiebern und Verflüssigern, sowie die gezielte Nutzung von Niedrigpreiszeiten (=hoher Anteil erneuerbaren Stroms, vor allem mittags): 691 748 Euro.
Vergleich zweier Anlagen. Grafik: Riedel
Auch Stromversorger, denen spätestens am Vortag in 15-Minuten-Schritten getaktete Lastprognosen zugeschickt werden müssen, «wissen dies zu schätzen!», so Holm. Denn die können den vorab gemeldeten Bedarf in der Strombeschaffung berücksichtigen, Kraftwerke und/oder zusätzliche Anlagen zu- bzw. abschalten. «Energeering» verdient damit Geld.
Als Strom-»Broker» tritt Mauto Renggli auf. Er verweist darauf, dass Versorger wie die Bernischen Kraftwerke (BKW) auch zu Zeiten in der Öffentlichkeit als «Mangellagen» wahrgenommener Energie-Engpässe durch geschicktes Agieren am Strommarkt schon mal 1 Mrd., und im darauffolgenden Jahr immer noch 600 Mio. Franken an Gewinnen einfahren konnten. Doch die Stromversorgung werde durch zahllose Einspeiser aus Wind- und Solarenergie-Anlagen zusehends unberechenbar, die Arbeit von «Strombeschaffern» wie den BKW umso wichtiger. Renggli`s Plattform «Renergy» bietet für Grossverbraucher wie Kühlhäuser die Möglichkeit zu ausgebufften Reaktionen durch gemeinsamen «online»-Stromeinkauf am «Spotmarkt». Dafür, sagt der Spezialist, sei allerdings auch nicht unbedingt eine «KI» erforderlich.
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