Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt hat in Cochstedt ein Lufttransport-Szenario zwischen dem Hamburger Flughafen und einer «Haltestelle» (Vertidrom) in der Binnenalster demonstriert. Das Projekt HorizonUAM (Urban Air Mobility) soll Fluggeräte, Flugkorridore und Landestationen definieren.

Bei den Flugversuchen wurden mehrere Multikopter im Massstab 1:4 als Flugkörper geführt, die sich zwischen Flughafen und Vertidrom an der Binnenalster bewegten und dabei eine Häuserschlucht überflogen. Dabei zeigten die Forschenden Methoden der Luftraumintegration mittels sogenannter U-space-Dienste, und demonstrierten die Arbeitsabläufe eines Vertiport-Lotsen. Getestet wurden zudem der Einsatz und die Absicherung durch künstliche Intelligenz am Beispiel einer automatischen Personendetektion über Onboard-Kamerabilder. Algorithmen zur sicheren Kommunikation und Navigation im urbanen Raum seien validiert worden.

Zahlreiche Haltepunkte und bezahlbare Preise, heisst es, seien unabdingbar für eine etwaige Nachfrage nach Lufttaxi-Verkehrs- und Transportdiensten, eine Preisspanne von vier bis acht Euro pro Kilometer nötig um einen einigermassen wirtschaftlichen Betrieb sicherstellen zu können. Dazu gehört das Konzept eines Lufttaxis mit sechs schwenkbaren Rotoren für vier Passagiere und einer Reichweite bis 100 Kilometer.

A.Kaysser-Pyzalla (re.)

Anfang Juli 2023 präsentierten die Forschenden ihre Ergebnisse im Nationalen Erprobungszentrum für Unbemannte Luftfahrtsysteme des DLR am Standort Cochstedt. In einer Modellstadt fanden zentrale Flugversuche statt. Konkrete Beispiele für den Aufbau des urbanen Luftverkehrs wurden insbesondere für die Stadt Hamburg entworfen. Begleitend wurde ein Feedback von Bürgerinnen und Bürgern zur möglichen Nutzung des städtischen Luftverkehrs eingeholt.«Der zukünftige urbane Luftverkehr stellt vielfältige Anforderungen an einen sicheren und effizienten Betrieb mit passenden Start- und Landeplätzen sowie Flugrouten, die schonend in die bestehende Infrastruktur und den Alltag der Menschen vor Ort zu integrieren sein müssen», so die DLR-Vorstandsvorsitzende Anke Kaysser-Pyzalla. «Dafür benötigen wir einen ganzheitlichen Ansatz in Forschung und Entwicklung, den das DLR-Projekt HorizonUAM aufgreift». Insgesamt zehn Institute und Einrichtungen des DLR sind beteiligt.»

Unter Beobachtung

Um sich ein umfassendes Bild zu machen, entwickelten die Forschenden eine Gesamtsystemsimulation sowie eine Methodik zur Prognose der weltweiten Nachfrage nach UAM-Verkehrsdiensten. Diese Methode wendeten sie auf 990 städtische Gebiete mit mehr als 500.000 Einwohnerinnen und Einwohnern weltweit an. «Die Ergebnisse zeigen, dass die Nachfrage mit einer steigenden Zahl an Haltepunkten und deren leichter Erreichbarkeit klar zunimmt», berichtet Bianca Schuchardt vom DLR-Institut für Flugführung und Projektleiterin von HorizonUAM. «Bezahlbare Preise spielen dabei eine entscheidende Rolle.» Anhand der Methodik identifizierten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mehr als 200 Städte weltweit als «UAM-geeignet». Neben Metropolen wie New York und Tokio auch Hamburg. Wichtige Faktoren seien die Bevölkerungszahl, die Ausdehnung der Stadt, sowie das Bruttoinlandsprodukt.

Fotos: DLR

 

Auch die Kosten nahmen die Forschenden unter die Lupe. Dafür entwickelten und untersuchten sie verschiedene Einsatzszenarien: den innerstädtischen Lufttaxi-Verkehr, Flughafen-Shuttles und den Regionalverkehr. Das Ergebnis: Um die Betriebskosten zu decken und gleichzeitig einen Gewinn zu erzielen, müssten Betreiberinnen und Betreiber für Lufttaxis und Shuttle-Services je nach Gegebenheiten Preise in einer Spanne von vier bis acht Euro pro Kilometer veranschlagen.

Senkrechtstarter

Es wurden verschiedene Vorentwürfe für senkrecht startende Lufttaxis angefertigt. «Zu einem der Konzepte mit sechs schwenkbaren Rotoren wurde auch ein detailliertes Kabinendesign angefertigt, das wir hinsichtlich Sicherheit, Passagierkomfort und Betriebsabläufen für den UAM-Betrieb optimierten», erklärt Schuchardt. In einem am DLR-Standort Braunschweig neu aufgebauten Kabinensimulator wurde der Flug in einem Lufttaxi für 30 Probandinnen und Probanden mittels Mixed-Reality erlebbar durchgespielt. Dabei zeigten sich die Probanden sehr offen gegenüber einem ferngeführten Lufttaxiflug ohne Piloten an Bord. Im Falle von unerwarteten Ereignissen, wie einer Streckenänderung, konnte das gefühlte Wohlbefinden jedoch tendenziell gesteigert werden, wenn ein Crew-Mitglied mit an Bord war.

Sicher, zuverlässig und weitgehend autonom sollte das Lufttaxi der Zukunft wohl sein. Wie es gelingen kann, es sicher aus der Ferne zu betreiben und zu überwachen und wie die Zertifizierung für diese Fluggeräte ablaufen müsste, untersuchten die Forschenden ebenfalls. Es zeigte sich schnell, dass bei Lufttaxis zwei grossen Herausforderungen der bemannten und unbemannten Luftfahrt zusammenkommen: der Wunsch nach vergleichbarer Autonomie wie in der unbemannten Luftfahrt und der nach gleich hohen Sicherheitsstandards wie in der bemannten Luftfahrt. «Die Zertifizierbarkeit von Lufttaxi-Komponenten, wie zum Beispiel des Batteriesystems, konnten wir erfolgreich nachweisen. Für die deutlich komplexere Zertifizierung von Autonomiefunktionen haben wir Teillösungen erarbeitet, hier besteht aber weiterhin Forschungsbedarf», erläutert Schuchardt.

Haltestellen

Damit Lufttaxis im städtischen Raum überhaupt zum Einsatz kommen können, brauchen sie Haltepunkte, also kleine innerstädtische Flugplätze, sogenannte Vertidrome. Diese müssen sich in die vorhandene urbane Infrastruktur und das jeweilige Stadtbild integrieren lassen. In diesem Zusammenhang errichteten die Forschenden am DLR-Standort Cochstedt ihre Modellstadt im Massstab 1:4, in der sie auch das Management eines Vertidroms untersuchten. Schuchardt: «Die nachgestellte Flugstrecke durch Hamburg liess sich günstig entlang der bestehenden S-Bahn-Trasse legen». Sensible Gebiete oder solche mit höherem Flugverkehrsaufkommen, wie beispielsweise rund um das Hamburger Klinikum, wurden dabei ausgespart.

Wahrnehmung und Akzeptanz

Ein städtischer Luftverkehr könnte ohne breite Akzeptanz in der Bevölkerung nicht umgesetzt werden. Deshalb führten die Forschenden dazu mehrere Studien zum Feedback von Bürgerinnen und Bürgern durch. Sie beauftragten ein Institut BIK Aschpuris + Behrens mit einer grossangelegten Telefonbefragung. Für zivile Drohnen habe sich eine Tendenz zu einem eher positiven Meinungsbild abgezeichnet, bei Flugtaxis seien die Befragten zurückhaltender gewesen.

Der Blick aus der Perspektive von Anwohnerinnen und Anwohnern wurde in einer weiteren Studie erfasst. Hier wurde Teilnehmenden mithilfe von Virtual-Reality-Technologie ein Eindruck vermittelt, wie man sich als Passant oder Passantin in einer Stadt fühlt, wo zivile Drohnen fliegen. Zusätzlich entwickelten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eine App, mit der die Geräuschkulisse von Drohnen nicht nur gemessen werden kann, sondern bei der die nutzende Person auch subjektive Bewertungen dazu abgeben kann.

Beispiel Hamburg

Zur Visualisierung der Arbeiten in HorizonUAM erstellten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler 3D-Renderings, die zeigen, wie sie sich Vertidrom-Konzepte vorstellen. Als Referenzstadt für diverse Untersuchungen in HorizonUAM bot sich die «Staumetropole» Hamburg besonders an. «In Hamburg platzierten wir dafür einen Vertidrom mit einem einzelnen Landepad, dem so genannten Vertistop, in der Binnenalster», berichtet Schuchardt. «Ein Vertidrom mit mehreren Pads für Start und Landung, also einen Vertiport, haben wir für den Flughafen der Hansestadt entworfen», so Schuchardt weiter. Eine besondere Herausforderung sei die Integration am Flughafen, da die Lufttaxis dem konventionellen Luftverkehr nicht zu nah kommen dürfen. In Schnellzeitsimulationen wurden innerhalb Hamburgs sogar 20 verschiedene Positionen für Vertidrome untersucht. In 24 Stunden könnten auf diese Weise 2800 Flüge mit insgesamt 275 Lufttaxis absolviert werden.

Zusätzlich definierten die Forschenden An- und Abflugmanöver und Routen für Lufttaxis innerhalb Hamburgs. Sie wurden in Schnellzeit-Simulationen analysiert und dann in mehreren Szenarien gemeinsam mit Fluglotsen in einem Towersimulator erprobt. Dabei wurde untersucht, wie die Flugsicherung am Hamburger Flughafen den bemannten und den unbemannten Luftverkehr zusammen kontrollieren könnte. Die definierten Prozeduren hätten sich bewährt, es habe sich aber auch die zunehmende Arbeitsbelastung der Lotsen bei zusätzlichen Luftraumteilnehmerinnen und -teilnehmern gezeigt.

Nach dem Abschluss des Projekts HorizonUAM ist bereits ein Nachfolgeprojekt in Planung. Dort sollen die Arbeiten zur Gesamtsystemsimulation fortgeführt werden. Auch die Modellstadt soll weiter ausgebaut und um Infrastruktur für einen ständigen Vertidrom-Demonstrator erweitert, die Fernführung mehrerer Lufttaxis im Kontrollzentrum erprobt werden.

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