Abb.: ie-group/TGW

Schätzungsweise rund 60 % aller Lebensmittel, die weltweit bewegt werden, wie auch Pharmaartikel und weitere, temperatursensible Produkte bedürfen an mindestens einem Punkt der Lieferkette der Kühlung. Der Energiebedarf ist entsprechend, seine Reduzierung in der temperaturgeführten Logistik von hoher Bedeutung. Ein ZHAW-Projekt lotet Chancen und Möglichkeiten aus.

In zurückliegenden Jahren wurden sowohl in planerischer, logistischer, wie auch maschineller Hinsicht bereits zahlreiche Massnahmen ergriffen, um Energieverbräuche und CO2 -Emissionen zu senken.

Thomas Hanhart, Logistik- und Industriebau-Experte bei den Ingenieuren der ie-group, weiss aus Erfahrung, dass es einen allgemeingültigen «Wurf», der für alle Planungen gilt, nicht gibt. «Grundsätzlich», sagt er, «müssen die Anforderungen an ein Tiefkühllager gemeinsam mit dem Kunden definiert werden». Die Nachhaltigkeit habe bei vielen Kunden hohen Stellenwert. Wichtig sei eine absolut hermetisch dichte Aussenhülle. Beim Innenausbau müsse im Speziellen auf die Tortechnik geachtet werden.

Foto: Frigoconsult

Von Vornherein ist die bauliche Ausgangssituation des Tiefkühl-Lagers zu berücksichtigen. Andockstellen und Rampen sollten nicht auf der Sonnenseite positioniert sein, sagt Beat Schmutz, Geschäftsführer bei SSP Kälteplaner. Nicht zu unterschätzen seien das Betriebsverhalten der Mitarbeitenden, der Personen, die dort arbeiten, deren «Türdisziplin» beim Zutritt und Verlassen der temperaturgesteuerten Bereiche und in diesem Zusammenhang auch das Vorhandensein von Schnelllauftoren. «Es kommt auf die Logistikbewegungen an, selbstverständlich auch auf das Aussenklima am sorgfältig zu wählenden Standort», so der SSP-CEO.

Kälteplaner-CEO B.Schmutz

Die Leistung der Anlage sollte angepasst sein, um einen stabilen Zustand beim Energieaufwand und der zuverlässigen Kapazität der Gesamtkonfiguration zu erreichen.

«Die CO2-Bilanz», meint Arne Holland, Leiter des Bereichs Anlagen, Verkauf und Anlagentechnik beim renommierten Intralogistik-Anbieter Stöcklin im schweizerischen Laufen, «kann heute sehr weitgehend optimiert werden». Das beginne bei der Herstellung der innerbetrieblichen Transportsysteme, der Fördertechnik, den Flurförderzeugen und den benötigten Rohstoffen, dem Stahl, Bauteilen und Elektronik-Komponenten, und reiche über die Art der Verarbeitung und Produktionsbedingungen bis hin zum Verkauf. Bei Stöcklin wird die Herausforderung ernstgenommen. Eine eigene Arbeitsgruppe wurde gegründet, um sich mit den künftigen Anforderungen hinsichtlich der Emissions-Belastung und deren Gesamtreduzierung zu befassen.

V.Adelfio

Den grössten Teil der CO2-Belastung mache der Lebenszyklus beim Anwender aus, da er sich über Jahre, wenn nicht sogar Jahrzehnte erstrecke. «Unsere Kunden wollen unseren Einsatz bei den CO2-Einsparungen ganz klar bestätigt sehen», so Valentin Adelfio, Leiter der Flurförderzeug-Sparte bei Stöcklin. Vor allem im Bereich der Fahrzeug-Batterien hätten sich in jüngerer Zeit durch die Lithium-Ionen-Technik auch grosse Vorteile für den Tiefkühlbereich bis minus 28 °C ergeben. Im Vergleich zur Blei-Säure-Batterie, die bei Temperaturen in diesem Bereich bereits die Hälfte ihrer Kapazität einbüsse, sei die Effizienz der Li-Ion-Batterie hier um 20 bis 30 Prozent besser. Für den Einsatz im TK-Bereich sei sie nochmal speziell isoliert und werde auf Arbeitstemperatur gehalten.

Abb.: Jungheinrich

Vor gut 30 Jahren habe Jungheinrich sein erstes TK-Lager in der Schweiz realisiert, erklärt Pascal Martin, Projekt-Manager Logistiksysteme bei Jungheinrich in Hirschthal. Die Zwischenkreis-Kopplung an Regalbediengeräten, um Stromspitzen zu kappen und beim Absenken von Traglasten Energie ins System rückzuspeisen, war eine Zeitlang das «Non-plus-Ultra». Die Rekuperation konnte auf diesem Weg allerdings nur zeitnah geleistet werden. Hier kommen inzwischen SuperCaps zum Einsatz – Superkapazitoren, die überschüssige Energien zwischenspeichern und auch über längere Zeiträume wieder abgeben können.

Schach dem Luftzug

Roger Grüter, Verkaufsleiter bei den Flurförder-Fahrzeugen und des Trainingsbereichs in Hirschthal, hält es für unabdingbar, die Energie-Effizienz der im TK-Bereich eingesetzten Fahrzeuge im Auge behält, um dort auch wirklich in Summe die CO2-Belastung nachweisen und in Zahlen ausdrücken zu können. Beim Regalbau im TK-Umfeld sei natürlich die Stahlgüte zu beachten, dies aber auch beim Fahrzeugbau. «Bolzen müssen in Edelstahl ausgeführt sein, Abdichtungen und Schmierstoffe angepasst werden».

Abb.: Efaflex

Frontscheiben? Keine Chance bei eisigen Temperaturen. «Die könnten beschlagen». Jungheinrich habe die Anforderungen mit der Baureihe der PowerLine-Fahrzeuge aufgefangen. Die integrierte Li-Ion-Batterie garantiere von der Herstellung bis hin zur Auslieferung beim Kunden »hundertprozentige CO2-Neutralität».

Lichtblicke

Dauerthema: Die Tür- und Tortechnik. Für den Anbieter Efaflex erläutert Felix Schneider die enormen Einspar-Potentiale, die sich mit Schnelllauftoren realisieren lassen. «Im Vorraum haben wir 4 bis 8°C, im TK-Bereich bis zu minus 35°C». Solche Temperatur-Unterschiede führen im Zusammenhang mit Luftfeuchtigkeit oft zur Eisbildung. Gute Gelegenheit, auf ein neues Schnelllauftor aufmerksam zu machen, das im Anschluss an das sekundenschnelle Öffnen und Schliessen die Lamellen des Tores mechanisch an die Zargen des Torrahmens anpresst.

 

Foto: FrigoConsult

Unter den vielen Möglichkeiten, auch die unbeabsichtigte Einbringung von Wärme zu minimieren, verdient sogar die Beleuchtung Aufmerksamkeit. Sie wurde als Heizfaktor entdeckt, und ihr Energieverbrauch entscheidend minimiert. Für Daniel Fluehmann vom Lichtsystem-Anbieter SchahLED sind über Jahrzehnte hinweg gebräuchliche Hochdruck-Entladungslampen «richtige Stromfresser». Immerhin wurde 2018 eine Vereinbarung in Davos unterzeichnet, derzufolge der Stromverbrauch für Beleuchtungssysteme in der gesamten Schweiz bis 2025 halbiert werden soll. Die LEDs seien zwar teurer in der Anschaffung, bei häufigerem An- und Ausschalten jedoch gut zu steuern und aufgrund der vergleichsweise extrem niedrigen Verbrauchswerte sowie hoher Lichtausbeute im Unterhalt schnell amortisiert.

Abb.: SUPSI/ZHAW

Rein maschinell gesehen, sagt Marcel Meier, Projekt-Manager bei Frigo-Consulting, seien die Möglichkeiten zur Energie-Einsparung auf Seiten der eigentlichen Kältetechnik schon weitestgehend ausgereizt.

«Geschichtlich gesehen», meint er, «war Ammoniak eigentlich bisher das favorisierte Kältemittel für grosse Anlagen». Im Vergleich zu halogenisierten Fluor-Chlor-Kohlen-Wasserstoffen (FCKW) habe sich die Umweltbelastung im Vergleich zu früher üblichen Kältemitteln auch bereits um das 1500- bis 2500-Fache reduziert. Inzwischen sei es auch möglich, grössere Kühllager und Kühlhallen mit CO2 zu betreiben. Das höchste Potential zur Optimierung werde derzeit in der sorgfältigen Steuerung durch IT-Software gesehen. CO2-Systeme seien hier im Vorteil, weil sie durch extrem hohe Druckunterschiede, wie sie durch physikalische Vorgänge in der Kühltechnik zur Erzeugung der Kälte genutzt werden, und durch sogenannte «Ejektoren» nochmals um einige Prozentpunkte «zulegen» könnten.

Abb.: ZHAW/SUPSI

Ein Simulationsmodell der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften könnte helfen, die jeweils zur Verfügung stehenden Transport-Optionen und lagertechnischen Alternativen im Zusammenhang durchzuspielen und die Gesamtbelastung weiter zu reduzieren. «Das Modell beinhaltet den Transport, die Logistik, die Produktion sowie die Lagerhaltung und natürlich die Kühlung, die für all diese Bereiche notwendig ist», erklärt Viola Rühlin, Wissenschaftliche Assistentin im Forschungs-Schwerpunkt Nachhaltiges Supply Chain Management und Mobilität. Natürlich ist das Kohlendioxid nur eines von zahlreichen Treibhausgasen, wird nach internationalen Klimaschutz-Standards jedoch auch als Vergleichs- und Basiswert zur Umrechnung der Auswirkungen anderer Schadstoffe herangezogen. Rühlin: «Wir arbeiten mit CO2-Äquivalenzen, um unterschiedliche Emissionen miteinander vergleichen zu können».

P.Senn

«Ein Plug&Play-Programm und eine entsprechende Zertifizierung wären ideal», sagt Jürgen Rammerstorfer, einer der Initiatoren und Projekt-Consultant. Der Anwender könnte dann am Bildschirm seine Werte eingeben und je nach genutztem Transportmittel die Parameter verändern, um schliesslich diejenige Variante mit den geringsten Schadstoff-Emissionen und dem niedrigsten Energieverbrauch auszuwählen. «Einschliesslich der dadurch entstehenden Kosten», setzt er nach kurzem Überlegen hinzu.

Ist dieser vergleichsweise hohe Aufwand auch tatsächlich ernstgemeint, und nicht einfach nur Teil eines inzwischen weltweit mit rein nominellen Werten gern gesehenen «Greenwashings? «Nein, absolut nicht», sagt Patrick Senn, Leiter des Geschäftsbereichs Anlagen, Technik Mechanik und Steuerungssysteme bei Stöcklin. Inzwischen gilt die Berücksichtigung von Aspekten der Nachhaltigkeit zwar durchaus als Marketing-Vorteil. Aber etliche der Unternehmen müssen sich auch auf internationalem Parkett behaupten. «Alles, was wir an Energie einsparen können, muss ich später für die CO2-Bilanz nicht mehr kompensieren».

Das SVTL-Video zum Thema

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