Das Leben ist eine Baustelle – genauso, wie viele Logistikprojekte, die Witron-CEO Helmut Prieschenk dieser Tage besucht, um unter anderem mehr über «Nachhaltigkeit made in USA» zu erfahren. Warum das Thema vor einem Paradigmenwechsel - und scheinbar Unvereinbares gar nicht im Widerspruch steht. 

«Konsumenten fordern ein wirkliches Handeln der Retailer – nicht nur Greenwashing – und Regierungsprogramme locken mit viel Geld, wenn es um Energieeffizienz und Nachhaltigkeit geht», so Prieschenk über die US-amerikanischen Gegebenheiten. «Selbst dort werden die Flächen für Logistikimmobilien knapp. Brownfield-Projekte gewinnen zunehmend an Bedeutung», so Prieschenk.

Getreu dem Credo «Use your Assets» könne der deutsche Automatisierungs-Anbieter auch hier mit seinen Lösungen sehr gut weiterhelfen. (…) «In Europa haben bereits zahlreiche Projekten bewiesen, dass eine Integration von neuer Technologie in ein bestehendes Gebäude sogar während des laufenden Betriebes erfolgreich umgesetzt werden kann.»

H.Prieschenk

«Regeneration ist momentan das Schlagwort in Kanada und den USA», erklärt Prieschenk. Was das für Witron bedeute? Man müsse aus der Reparaturlogik raus, heisst es bei den Oberpfälzern. Die Probleme nicht erst im Verteilzentrum lösen, sondern da wo sie entstehen. Die Idee: Neben IE4-Motoren (asynchrone Elektromotoren der neuesten Generation), Energierückgewinnung am RFZ oder PV-Anlagen gehe es darum, unnötige Bewegungen im Logistikzentrum zu vermeiden. «Wir müssen in der Planung mit dem Kunden das Thema Effizienz neu definieren. Zum einen geht es natürlich um das Verteilzentrum und um die Anzahl der Paletten und Kundenaufträge, die täglich umgeschlagen werden. Darüber hinaus stehen Themen wie Servicegrad für Filial- und Endkunden sowie die Wirtschaftlichkeit ganz oben. Das ist die Pflicht. In Zukunft muss man jedoch deutlich weiterdenken. Die Kür ist nämlich dann, die Leistungsdaten mit Verbräuchen zu koppeln.» Deshalb analysieren Witron-Mitarbeitende in der Planungs-, Realisierungs- und Betriebsphase die Leistungs- und Energiedaten. Prieschenk ist überzeugt: «Wir müssen uns Fragen stellen, wie z. B. ob es nicht sinnvoll ist weniger Inventory durch die Supply Chain zu fahren. Productivity ist das Schlagwort.» Dieser Punkt ist Retailern und Filialbetreibern verständlicherweise sehr wichtig. «Stock out» ist ein entscheidendes Thema in der Branche. Wir trauen uns aber in Zukunft mit weniger Puffer und mit mehr Wissen aus Daten ein Logistikzentrum zu fahren, noch effizientere Lager zu bauen, Foodwaste zu vermeiden, Energie zu sparen – und wir müssen Geschäftsmodelle in Frage stellen, die ökonomisch, sozial und ökologisch nicht funktionieren. Statt ESG muss es ESB heissen Environmental, Social und Business, nur dann haben wir Erfolg – gemeinsam mit unseren Kunden.» Der CEO ist sich sicher: «In Zukunft schreiben wir in unseren Pressemitteilungen neben den Leistungsdaten von Maschinen und Verteilzentren ganz selbstverständlich über den CO2-Austoss per Colli oder über den Energiehaushalt der Anlage."

Fotos: Witron

Dafür brauche es Anstrengungen bei Witron, beim Kunden und in der Supply Chain. «Unsere Onsite-Teams in den Logistikzentren kennen die Anlagen, die Prozesse. Wenn denen beispielsweise auffällt, dass ein Zulieferer unnötige Umverpackungen hat, dann suchen wir sofort das Gespräch mit ihm. Oder wir haben den Fall, dass Lieferanten Slipsheets in die Paletten einziehen und es diese eigentlich gar nicht braucht.» Man müsse bis ins Detail aktiv auf die Suche nach Effizienzgewinnen gehen, heisst es bei Witron. Das ist oft mühsam, aber auch sehr erfolgreich. «Optimierungspotential gib es oftmals ebenso im Bestellverhalten der Filialen oder der Endverbraucher, in der Tourenplanung, oder in der LKW-Auslastung.»

Das Logistikzentrum sei wie ein Elektroauto, sind die Ingenieurinnen und Ingenieure bei Witron überzeugt. Der Kunde könne das Lager permanent auf Höchstleistung fahren und die Maschinen fordern. Aber sei das im Gesamtkontext auch wirklich SINN-voll? «Der Elektromotor im Auto hat einen wahnsinnigen Wirkungsgrad – wie auch unsere Anlagen. Und wir können schnell die Prozesse beschleunigen, wenn es sein muss, wenn es notwendig wird. Aber genauso wie man lernen muss, ein E-Auto zu fahren, muss man lernen ein Logistikzentrum wirtschaftlich und konsumentenorientiert zu fahren, aber dennoch ökologisch zu dimensionieren und zu betreiben. Dafür brauchen wir den Kunden, die Daten und den Zulieferer sowie die Filialen bzw. den Konsumenten.»

«Und», ergänzt Prieschenk, «wir müssen genau planen, auf welcher Strecke wir fahren. Für die Logistik bedeutet das, wo und in welchem Profil entstehen die Nachfragen, wie reagieren wir darauf, was können wir voraussagen?»

Gleichzeitig steigen die Anforderungen in den Lieferketten. Witron produziert nur in Deutschland – das neue Werk ist in die Tiefe gebaut worden, um Platz zu sparen und die PV auf dem Dach liefert 2,5 MW. «Wir müssen die Qualität hochhalten und dafür sorgen, dass unsere Maschinen und Anlagen leicht zu reinigen sind. Das klingt jetzt nicht nach Unique Selling Point, ist aber enorm wichtig, denn unsere Kunden wollen die Anlage 30 bis 40 Jahre betreiben. Das ist dann wirklich nachhaltig.» Und ginge bei den 2,5 MW nicht noch mehr? «Doch sicher, aber wir müssen uns fragen, brauchen wir das denn? Die PV-Module müssen ja auch produziert werden. Wir müssen die Nachfrageseite der Energie endlich betrachten, nicht immer nur das Angebot.»

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