Auf dem Arbeitsmarkt sind kaum noch gute Leute für Tiefkühllager zu finden. Die Arbeitsbedingungen in der Eiseskälte sind hart, die Mitarbeiterfluktuation ist hoch. Für Michael Schedlbauer ein guter Grund, die Automatisierung voranzutreiben.

Der Industry Manager für den Lebensmittelbereich bei TGW erläutert, warum tatsächlich immer mehr Unternehmen auf automatisierte statt manuelle Tiefkühllager setzen.


Frage: Herr Schedlbauer, wie hat sich denn der Markt für Kühllogistik in den vergangenen Jahren entwickelt?

Schedlbauer: 2020 hat die Corona-Pandemie für überproportionales Wachstum in diesem Segment gesorgt. Die Menschen haben öfter zuhause gekocht und mehr tiefgekühlte Zutaten wie Gemüse oder Fisch gekauft. Diesen Trend spiegeln auch Zahlen aus Deutschland wider: Der Verband Deutscher Kühlhäuser und Kühllogistikunternehmen (VDKL) berichtet, dass die Kühlhäuser der Mitglieder 2020 mit einer durchschnittlichen Gesamtauslastung von 81,4 Prozent um 1,3 Prozent voller als noch im Jahr 2019 (80,1 Prozent) waren – und insgesamt so gut belegt wie zuletzt vor 18 Jahren.

Das hört sich nach einem krisenfesten Logistiksegment an…
In der Tat. Aktuell sehen wir, dass viele Unternehmen und Anleger in diesen Bereich investieren. Zum anderen gilt – Corona hin oder her – nach wie vor die Aussage: Gegessen und getrunken wird immer. Das bedeutet: Die Branche ist sehr stabil gegenüber externen Einflüssen. Deshalb lohnen sich auch langfristige Investments in neue, automatisierte Lagerstrukturen.

Wie war die Lage vor dem Ausbruch von Covid-19?
Der Markt ist im vergangenen Jahrzehnt kontinuierlich gewachsen, die Akteure haben ihre Kapazitäten ausgebaut – sowohl Handelsunternehmen als auch Kontraktlogistiker. TGW schloss beispielsweise unlängst ein Projekt mit dem niederländischen Dienstleister NewCold ab, der für einen bekannten Lebensmittelproduzenten arbeitet. Zudem ging das Coop-Zentrallager in der Schweiz erfolgreich in Betrieb. Im Lebensmitteleinzelhandel gibt es zwei Trends: Zentralisierung und Insourcing. Ersteres spiegelt das Coop-Projekt Schafisheim gut wider. Die Eidgenossen haben ihre Tiefkühllogistik zentralisiert – und drei regionale Verteilzentren in eines zusammengeführt. Zudem ist diese Anlage auch Regionallager für Frischware für den Nordosten der Schweiz. Man findet also mehrere Temperaturzonen in diesem Gebäude mit 240.000 Quadratmetern Gesamtfläche.

Michael Schedlbauer

Mit Automatisierung verbinden viele hohe Investitionskosten
Wenn man sich das grosse Ganze, also die Gesamtbetriebskosten oder Total Cost of Ownership, ansieht, zeigt sich ein anderes Bild. Lagerautomatisierung lohnt sich in der Tiefkühllogistik ganz besonders. Denn die Anforderungen im Lebensmitteleinzelhandel sind hoch. Die Pickqualität muss perfekt sein, die Lieferungen pünktlich eintreffen und die Kühlkette darf nicht unterbrochen werden. Unternehmen müssen das lückenlos und auf Knopfdruck nachweisen können. Auch eine geringere Abhängigkeit vom Arbeitsmarkt lässt viele Logistikverantwortliche besser schlafen.

Wie wichtig ist Transparenz?
Nehmen wir das Beispiel Produktrückrufe. Im Fall der Fälle müssen sowohl der Produzent als auch der Händler mit wenigen Klicks jene Chargen identifizieren können, die betroffen sind. Eine solche Transparenz bekommen Unternehmen nur mithilfe von Digitalisierung und Automatisierung in die Supply Chain. Immer mehr Lebensmittelproduzenten bieten ihren Kunden zudem an, die komplette Wertschöpfungskette zu verfolgen – beispielsweise bei Fisch vom Fang bis hin zur Tiefkühltheke. Ermöglicht wird das auch dank der IT, die in automatisierten Lagerlösungen im Einsatz ist.

Warum ist Nachhaltigkeit wichtig?
In Zeiten des fortschreitenden Klimawandels sind sich viele Unternehmen ihrer Verantwortung bewusst, Ressourcen einzusparen. Das wird auch in der Kommunikation mit den Kunden immer wichtiger, wie die Aktion „Taten statt Worte“ von Coop zeigt, die inzwischen fast 400 Massnahmen umfasst. Viele Firmen haben sich ehrgeizige Ziele auferlegt, ihren Energieverbrauch beziehungsweise ihre Emissionen zu senken oder ganz CO2-neutral zu wirtschaften. Dafür nehmen sie jeden Mosaikstein in der Supply Chain genau unter die Lupe.

Weshalb bewegt das Thema Arbeitskräftemangel die Branche?
Mitarbeitende zu finden, zu schulen und zu halten, gestaltet sich zunehmend schwierig. Dazu kommt: Wegen der Pausenvorschriften sind die Kräfte – im Vergleich zu Mitarbeitenden in Lagern mit Raumtemperatur – vergleichsweise kurz in der Anlage. In Deutschland beispielsweise sind gemäss DIN 33403-5 nach 90 Minuten Arbeit 30 Minuten Pause vorgeschrieben.

Wie verbessert sich die Arbeitssituation in einem automatisierten Kühllager?
Die Automatisierung ersetzt körperlich schwere Arbeit bei tiefsten Temperaturen. Gleichzeitig ist die Lösung so konzipiert, dass die noch anfallenden Tätigkeiten in wärmere Temperaturzonen zwischen -5 und -2 Grad Celsius verlagert werden. Zu diesen Prozessen zählen der Warenein- und -ausgang, die Kommissionierung sowie das Palettieren respektive Depalettieren. Die beiden letzteren Prozesse können auch mithilfe von Robotern automatisiert werden. Alles in allem schafft die Automatisierung höherqualifizierte Jobs – beispielsweise im Leitstand.

Wie wird sichergestellt, dass Shuttles bei -25 Grad Celsius funktionieren?
TGW nutzt die neueste Roboter- und Antriebstechnologie. Unsere Lösungen können grundsätzlich im Temperaturbereich zwischen -30 und +40 Grad Celsius eingesetzt werden. Für ein Shuttle im TK-Bereich tauschen wir für den optimalen Betrieb nur drei Komponenten und passen das Schmiermittel an.

Fotos: TGW Group

Wie schaut der ideale Prozess für ein Kühllager aus?
Der Prozess beginnt am Wareneingang. Die palettierte Ware wird geprüft, mit einem Label versehen und kommt dann bei -25 Grad Celsius ins Hochregallager. Zur Kommissionierung der Aufträge wird Ware abgerufen und nach Bedarf depalettiert, Paletten mit Restmengen lagert man wieder ein. Die depalettierten Einheiten werden auf ein Tablar übergeben und ins Shuttlesystem eingelagert. Für die Kommissionierung nach dem Ware-zum-Roboter-Prinzip werden die benötigten Artikel ausgelagert, die Tablare sequenziert und bedarfsgerecht entladen. Die Palettierung erfolgt automatisiert mit Hilfe von Autostax-Robotern. Die Anordnung der Artikel auf dem Kundenladungsträger, meist Palette oder Rollwagen, erfolgt nach Stabilität der Palette, Optimierung des Volumens und filialgerechter Anordnung zur schnellen Verräumung im Laden.

Thema Energieeffizienz. Wie lassen sich signifikante Einsparungen erzielen?
Neben dem zu kühlenden Volumen muss der Gebäudefootprint möglichst klein sein. Idealerweise wird die Lösung in einem Gebäude mit maximal im Baugebiet erlaubter Höhe – bis zu 40 Meter – errichtet, um die Grundfläche klein zu halten und Energieverluste über die Dachflachen weitgehend zu vermeiden. Wichtig sind eine dichte Anlage, hochwertige Dämmung sowie gute Schleusen und Tore. Vorteil automatisierter Lager ist auch, dass Toröffnungen für den Staplerverkehr wegfallen und sich die Wärmequellen Mensch und Beleuchtung auf ein Minimum reduzieren. TGW setzt zudem auf stromsparende Shuttle-Lifte, die Fördertechnik verfügt über Technologien zur Energierückgewinnung, die Shuttles selbst werden mit innovativen SuperCaps angetrieben.

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