Grafik: Still
Staplerhersteller Still stellte bereits zur Hannover Messe im April die Ergebnisse des Forschungsprojektes zur KI-gestützten Indoor-Kartographierung von Lagerhallen (ARIBIC) vor. Jetzt reüssierte Rolf Huber, Vice President ITS EMEA der Kion, damit nochmal beim GS1 Excellence Day in Bern.
Einer Keynote von Holger Schmidt über Künstliche Intelligenz und digitale Plattformen im Plenum folgend, ging es nachmittags in einer gut frequentierten Logistik-Session mit Manuel Renold (ZHAW) auch nicht nur um «Katzen mit und ohne Ohren» als Erkennungsbeispiel für die KI-basierte Identifizierung logis(ti)scher Fehler. Nach Ansicht des Experten für digitale Ökonomie werden Quanten-Computer demnächst auch in der Logistik Einzug halten, könnten mögliche Schwarm-Anwendungen bei der Sendungsverteilung der Post in City-Bereichen per Zeppelin und Drohne in Pilotprojekten umgesetzt werden. Irgendwann werde auch jedes Paket mit selbst gespeichertem Ziel, Routenplan und ergänzenden Datenangaben sein eigener «Agent» sein.
Angesichts inzwischen zahlreicher Ortungs- und Navigations-Systemen auf dem Markt, hat Staplerhersteller Still des wegen der zunehmenden Automatisierung und Robotisierung steigenden Bedarfs einen eher systematischen Ansatz über besagte «Artifical Intelligence-Based Indoor Cartography» (ARIBIC) verfolgt. Nicht umsonst ein kleines Wortspiel mit dem Begriff «acribisch», um die ausserordentliche Menge der quasi «beiläufig» zur Verfügung stehenden Daten anzudeuten. Huber: «Wir haben hier eine Art Google Maps für die Intralogistik». Kooperiert wird hier – wen wundert´s – mit Google Cloud. Und mit dem aufgrund von «KI» inzwischen wesentlich schneller und in Echtzeit arbeitenden Digitalen Zwilling im Lager.
Wirklich interessant wird es, wenn die dafür notwendigen Daten automatisiert und quasi ‚beiläufig‘ gesammelt werden können. Still-Projektleiter Dennis Schüthe: «Die für den digitalen Zwilling notwendigen Daten haben wir über ein Sensor-Setup in den Flurförderzeugen gesammelt, das die zukünftig integrierten Sensoriken ‚simuliert‘. Die Daten werden dann zu einer digitalen Darstellung kombiniert, in die Cloud übertragen und mit semantischen Informationen angereichert. Dort kann der Bestand mit dem Lagerverwaltungssystem abgeglichen und Diskrepanzen automatisch identifiziert werden.»
Für Unternehmen ist die Echtzeitdarstellung ihres Lagers ein wichtiger Schlüssel zur Optimierung . «Hinzu kommen Möglichkeiten der Echtzeitinventur und automatisierter Materialbestellungen durch eine Verknüpfung mit dem Warenmanagementsystem. Auch die Sicherheit im Lager erhöht sich signifikant durch die Erkennung defekter Infrastrukturen oder versperrter Notausgänge in der 3D-Karte», so Schüthe. Bereits im nächsten Jahr wird Still mit der Umsetzung der Forschungsergebnisse in praxistaugliche Produkte starten, zunächst mit Proof-of-Concept-Installationen in realen Umgebungen.
Alwin Locker, Geschäftsführer des IT-Consulting-Unternehmens Soltar, verweist auf dem Podium auf erhebliches Potenzial der «Artificial Intelligence», wenn sie geschickt mit der menschlichen Intuition verknüpft werde. Was wiederum Moderator Thomas Bögli zur Frage bringt, ob die KI-Regulationen, die von der EU auf den Weg gebracht worden sind, hier eher hinderlich, also «zuviel des Guten», oder sinnvoll seien. Renold, «Head of Cybernetic Learning System» an der ZHAW, findet die Leitplanken angebracht.
Foto: klk.
«Wir sind aber mit allem erst ganz am Anfang», sagt Huber. Inzwischen seien die Ingenieure auch drauf und dran, «taktile Hände» für Transportgreifer zu entwickeln. Auf eine Teilnehmerfrage, wer dann – analog zum autonomen Fahren im Strassenverkehr - letztlich für etwaige «Fehlleistungen» verantwortlich sei, gibt es natürlich eine klare Antwort. «Der Mensch», sagt Huber. Der habe schliesslich das Ganze programmiert. Ganz auszuschliessen, so die anwesenden Experten, sei es eben auch nicht, dass eine «KI» Fehler eintrainiert und schliesslich auch falsch anwendet. Moderator Thomas Bögli: «Wenn´s gefährlich wird, sollte man eben langsamer machen». Beruhigend an zahlreichen Science Fiction-Filmen und Zukunfts-Projektionen, die in Zeiten wie diesen die Runde machen, sei vor allem eines: «In all diesen Hollywood-Thrillern hat der Mensch am Schluss überlebt…».
Das ARIBIC-Projekt
Aus der Datenflut wird ein Echtzeit-Bild
Das ARIBIC-Projekt lief von März 2021 bis Ende 2023. An dem internationalen Forschungsvorhaben waren neben Konsortialführer Still das Karlsruher Institut für Technologie (KIT), die Universität Toronto mit dem STARS-Labor und der kanadische Sensorhersteller LeddarTech beteiligt. Gefördert wurde das Projekt durch das deutsche Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) und das Industrial Research Assistance Program des kanadischen National Research Council (NRC IRAP). Der Hamburger Intralogistikanbieter hat unter anderem seinen OPX iGo neo in das Projekt eingebracht – den mit Sensorik und Kameratechnik bereits bestens ausgestatteten autonomen Kommissionierer.
Klaus Koch
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