Still nutzte das neue Format des «Logistics Summit», der praktischerweise in der Vorwoche in Hamburg stattfand, um wie schon im Vorjahr «am Tresen» zugespitzte Thesen zu Automatisierung und Kreislauf-Wirtschaft zu formulieren. Der Fachkräftemangel treibe die Automatisierung voran. Und «Brownfield» werde mit «KI» zum Trend.

Der Begriff «Brownfield», manchem neu, beschreibt Systeme, die sich in ein bereits vorhandenes Umfeld einfügen, indem sie sich auf intelligente Weise anpassen. Die vielzitierte «Künstliche Intelligenz» leistet hier wertvolle Dienste. Denn mit lernenden Software-Algorithmen können sich robotisierte Systeme in jüngerer Zeit auch immer öfter in herkömmlichen Anlagen zurechtfinden, ohne die alte Lagerumgebung komplett abreissen und mit teuren Investitionen alles auf den Kopf stellen zu müssen.

«Greenfield», zum Beispiel von SAP beim Aufsetzen völlig neuer Software gern genutzt, um sich nicht mühsam an alten Strukturen orientieren zu müssen, wäre demnach die Einführung völlig neuer Anlagen, Installationen und Komponenten, ohne alte Strukturen berücksichtigen zu müssen – sozusagen ein Neubeginn auf der «grünen Wiese». Das scheuen – nicht ganz zu Unrecht – bislang viele Unternehmen.

Nach der erfolgreichen Premiere des Talkformats in Berlin im Vorjahr gastierte Still mit zwei Sequenzen auf der Hauptbühne im Hamburger Kongresszentrum CCH. Haupttreiber für neue Projekte in der Automatisierung sei der Fachkräftemangel, was sich langfristig nicht ändern werde, so Frank Müller, Chef des Marken-Managements bei Still EMEA.

Vor diesem Hintergrund hatte Marten Bosselmann, Vorsitzender des deutschen Bundesverbands Paket und Expresslogistik (BIEK) Gelegenheit, die These aufzustellen: «Wer es nicht schafft, Mensch und Maschine bei der Automatisierung zusammenzudenken, hat die Zukunft der Logistik nicht verstanden». Fehlende Arbeitskräfte und steigende Personalkosten machen seiner Ansicht nach auch die Automatisierung von Paketzentren unvermeidbar. Dabei gehe es nicht darum, Personal zu entlassen, sondern zu entlasten.

Dass in vielen Managerköpfen gerade ein Umdenken stattfinde, sei auch der Tatsache geschuldet, dass Automatisierung erschwinglicher werde, formuliert Müller. In bestehenden Anlagen seien Automatisierungsvorhaben künftig in kurzer Zeit und ohne grosse Veränderungen möglich. «Brownfield» werde zum Trend, so Müller.

Gute Gelegenheit auch, nochmal die Kooperation mit idealworks, dem vom IFOY her bekannten Münchener Spezialisten für autonome mobile Roboter (AMR) zu verkünden. Still ist ab sofort Vertriebs- und Servicepartner auf internationaler Ebene für die autonomen Geräte, die Lasten bis 1000 kg selbstständig transportieren können.

Fotos: Still / Impact

Projekte mit AMRs, die flexibel und leicht skalierbar sind, rechnen sich nach Aussage von Florian Menold zeitnah. Anders sieht es laut dem Geschäftsführer für Frankreich bei der pfenning logistics group bei grösseren Vorhaben aus. Angesichts immer kürzer werdender Vertragslaufzeiten mit Kunden seien sie für Kontraktlogistiker eine Herausforderung. Grossprojekte rechnen sich Menold zufolge oft erst nach fünf Jahren. Damit Kontraktlogistiker neue Kunden mit unterschiedlichen Waren einfach ins Logistiknetz integrieren können, wünscht sich der Manager mehr Flexibilität. «Die Automatisierung ist heute noch nicht flexibel genug», lautete die These.

Umdenken müssen Intralogistiker – und ihre Kunden – auch beim Thema Zirkularität. Das betonte der Wissenschaftler Christoph Küffner von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg im zweiten Talk. «Klimaschutz beginnt heute – ein Weiter-So gibt es nicht», unterstrich der Forscher. Er prognostizierte, dass in der Logistik in den kommenden Jahren immer mehr Unternehmen nach dem durchgängigen Kreislaufwirtschaftsprinzip Cradle-to-Cradle handeln werden.

Karl Knipfelberg berichtete, dass bei Still bereits ein Umdenken stattgefunden habe: «Der zukünftige RXE ist der erste Gabelstapler, der zirkulär gedacht wird», sagte der Vice President Counterbalance & Energy bei Kion ITS EMEA. Einer Konzeptstudie zufolge seien dadurch Kohlendioxid-Einsparungen im zweistelligen Prozentbereich möglich. «Nachhaltigkeits-Massnahmen stabilisieren nur das Bestehende. Unternehmen müssen einen effektiven, funktionierenden Materialkreislauf einführen», sagt er. Zirkularität müsse jedoch immer ganzheitlich gedacht werden – vom Produktdesign über die Lieferkette, die Produktion und den Kundeneinsatz bis hin zur Wiederverwendung.

Eine Philosophie, die auch im Nutzfahrzeugbereich Einzug halte, wie Frank Albers, Geschäftsführer Vertrieb & Marketing beim Fahrzeugwerk Bernard Krone, bestätigte. Bereits beim Trailer-Design werde von der Nutzung bis zur Entsorgung gedacht. Wesentliche Hebel seien Gewicht, Aerodynamik sowie die Wiederverwendung von eingesetzten Materialien nach dem ersten Leben eines Trailers, das im Schnitt acht Jahre dauert. Vor Kurzem wurde dort auch eine elektrische Achse vorgestellt.

Das Feedback auf die neuerlichen «Thesen am Tresen» sei ausgesprochen positiv gewesen, sagt Frank Müller.

Die beiden Talks veröffentlicht STILL in den kommenden Tagen online hier