Die von der Internationalen Logistics Hall of Fame vergebene Medaille für Humanitäre Logistik des Fritz Institute soll in diesem Jahr an «Strategies for Northern Development» (SND) für das Projekt «Extreme Weather Response» im Norden Kenias gehen. Verliehen wird die Auszeichnung bei der LHoF-Gala am 5. Dezember in Berlin.
Die Verantwortlichen entwickelten eine Strategie, wie Bedürftige mithilfe von elektronischen Gutscheinen und Mehrzweck-Bargeldhilfe via Mobiltelefon schnellen, sicheren und nachhaltigen Zugang zu Produkten des täglichen Bedarfs bekamen. Insgesamt konnte auf diese Weise mehr als 1200 Haushalten, die im Bezirk Marsabit von Dürre und Überschwemmungen betroffen waren, in zehn Zahlungszyklen geholfen werden. Unterstützung erhielt SND von der humanitären Organisation Oxfam.
Kenia steht bei vielen Touristen auf der Zielliste der Reisedestinationen ganz oben. In Reservaten wie dem Masai Mara im Süden wollen sie Schnappschüsse von den berühmten Big Five des Safaritourismus schiessen: Löwe, Elefant, Nashorn, Schwarzbüffel und Leopard. Den Norden des Landes hingegen begehrt kaum ein Tourist: Hier gibt es keinen weltbekannten Park, dafür marode Strassenpisten, trockenes Klima und eine arme Bevölkerung. Im Marsabit County zum Beispiel leben nur 500.000 Menschen. Das Klima ist arid, lediglich zehn Prozent der Fläche gelten als landwirtschaftlich nutzbar. Fast die Hälfte der Einwohner, vor allem nomadische Viehzüchter, leben unterhalb der Armutsgrenze. 90 Prozent der Bevölkerung haben keinen direkten Zugang zu sauberem Wasser. Rund ein Fünftel der Kinder ist untergewichtig.
Ch. I. Lomali
Im Grenzgebiet zu Äthiopien jagt eine Dürre die andere. Seit 2020 verendeten in Marsabit 121.000 Schafe und Ziegen, 35.000 Kamele und 38.000 Rinder. Im Jahr 2023 wurden durch schwere Überschwemmungen 58.000 Menschen vertrieben, 26 verloren ihr Leben. Hier, im Norden des Landes, ist seit 2007 eine lokale, kenianische Hilfsorganisation aktiv, deren Name gleichzeitig Programm ist: Strategies for Northern Development (SND). Die NGO arbeitet mit den von Dürre und Überschwemmungen betroffenen Hirtenfamilien zusammen und entwickelte in den vergangenen zwei Jahren eine Strategie unter dem Motto «Hilfe zur Selbsthilfe».
SND entwickelte eine Strategie, wie Bedürftige mithilfe von elektronischen Gutscheinen und Mehrzweck-Bargeldhilfe via Mobiltelefon schnellen, sicheren und nachhaltigen Zugang zu Produkten des täglichen Bedarfs bekommen. Finanziert wurde das Projekt mit einem Volumen von 1,28 Millionen US-Dollar von einem amerikanischen Geldgeber. Hilfe erhielt SND zudem von der humanitären Organisationen Oxfam. Die smarte Grundidee der Strategie: Statt sich für Lebensmittel oder andere Produkte des täglichen Bedarfs bei Ausgabestationen anstellen zu müssen, bekamen die bedürftigen Menschen Geld über die M-Pesa-Plattform des Mobilfunkanbieter Safaricom auf registrierte und geprüfte Mobilfunknummern überwiesen. Um sicher zu gehen, dass die in Not geratenen Hirtenfamilien schnell, nachvollziehbar und sicher an die Gelder beziehungsweise E-Vouchers kommen, entwickelte SND einen 13-Punkte-Plan. Sensibilisierung der County Steering Group (CSG) und der Cash Working Group: SND stellte sicher, dass alle Beteiligten die Projektziele, -verfahren, -vorteile und -dauer verstanden. Das unterstützte die Akzeptanz.
SND ermittelte die von Dürre, Sturzfluten und Vertreibung am stärksten betroffene Gebiete. Zudem stellten die Mitarbeitenden sicher, dass Hilfe die besonders gefährdeten Bevölkerungsgruppen erreichte. Das Projekt beschränkte sich auf die Regionen Marsabit, Samburu und Isiolo. Die Kommunen wurden über den Projektumfang informiert. Zudem bildete sich ein Projektumsetzungsausschuss (PIC) mit dem Ziel, die bedürftigsten Menschen anhand festgelegter Kriterien zu ermitteln. Die Begünstigten wurden von der Gemeinde öffentlich bestätigt, um Transparenz und Genauigkeit zu gewährleisten. SND überprüfte die Datenintegrität, identifizierte Duplikate und sorgte für den Abgleich mit bestehenden Datensätzen, um doppelte Arbeit und Fehler zu vermeiden. Vorbereitung der Zahlungsberechnung: Die Angaben zu den Begünstigten wurden zu einer Abrechnung zusammengestellt.
Fotos: LHoF/SND
Der Weg zum Ziel für SND erwies sich laut Charles Iria Lomali, Head of Programs and Business Development bei SND, wie die meisten Strassen im Norden Kenias – als mitunter sehr beschwerlich. Eine technische Herausforderung war für zahlreiche Bedürftige die nicht flächendeckend vorhandene Mobilfunkabdeckung. Das heisst: Sie mussten zum Teil weite Wege auf sich nehmen, um E-Vouchers und Bargeld auf ihre Geräte zu bekommen. Mituntern noch weiter mussten diejenigen gehen, die keinen Zugriff auf Mobilfunktelefone hatten: Sie mussten in einen Shop von M-Pesa, wo mit geliehenen Geräten die Finanztransfers auf SIM-Cards durchgeführt wurden.
Die moderne Form der Hilfe erwies sich für viele Familien als entscheidender Rettungsanker. Gegenüber Journalisten erläuterte eine 47-jährige Mutter von zehn Kindern, die namentlich nicht genannt werden will: «An dem Tag, als wir uns für das Programm anmeldeten, wusste ich, dass ich jeden Schilling klug einsetzen muss.» Für ihre erste Zahlung von 9.126 kenianischen Schilling, umgerechnet rund 73 US-Dollar, entschied sie, notwendige Lebensmittel zu kaufen und einen kleinen Teil für medizinische Notfälle zu sparen. Mittelfristig plane sie eine kleine Geflügelzucht aufzubauen. «Hühner benötigen weniger Wasser als Rinder».
«Das Programm lieferte mehrere positive Resultate», sagt Ali Ibrahim Dida, CEO von SND. Eine Datenanalyse ergab, dass 95 Prozent der Programmteilnehmer während der Nothilfephase innerhalb von 24 Stunden nach der Mittelzuweisung Hilfe erhielten.
SND hat seinen Sitz in Moyale, Kenia, und beschäftigt ein Team von 105 Mitarbeitenden (38 Frauen und 68 Männer), die sich um die vielfältigen Bedürfnisse der betreuten Haushalte kümmern.
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