Bei niedrigen Temperaturen von bis zu -25° C zu arbeiten, geht in die Knochen. Kisten bis 25 kg sind mit bis zu 200 Picks zu bewegen. Ein Kommissionier hebt oft bis zu 14 t am Tag. Ergonomische Lösungen und Automatisierung sind gefragt. Denn für diesen Job finden sich kaum noch Arbeitskräfte.

«Viele unserer Kunden finden keine Kommissionierer mehr», erklärt Daniel Kick von Witron. Er plant seit mehr als 15 Jahren im Team um Firmengründer Walter Winkler innovative, hochdynamische Logistikzentren für Kunden in Europa, Nordamerika oder Australien. Um hier auf Basis zukunftsweisender Logistikprozesse wirksame Entlastung für die Mitarbeitenden zu schaffen, nehme die Automatisierung in der Frische daher gerade rasant an Fahrt auf, sagt der Oberpfälzer. Entscheidungskriterien wie Wirtschaftlichkeit, Produkt- / Filialservice sowie Flexibilität stünden im Fokus der Logistik-Entscheider.

D.Kick

Dabei hat fast jedes Land, jeder Kontinent seine eigenen speziellen Anforderungen. In der Vergangenheit orderten Retailer die OPM (Order Picking Machinery) vor allem für das Trockensortiment, weil das System mit einem breiten Artikelspektrum hervorragend umgehen kann. Mittlerweile sind aber schon mehr als ein Drittel der OPM-Projekte aus dem temperaturgeführten Bereich. Das Besondere am OPM: Die Lösung findet das perfekte Schlichtbild für die Artikel. «Wenn ich beispielsweise Joghurtsteigen in Kombination mit Behältern und einer Vielzahl weiterer Verpackungsvarianten auf die Filial-Palette oder den Rollcontainer zusammenführen muss, dann ist die optimale Sortierung entscheidend», erklärt Kick.

«Den Konsumenten frische und ultrafrische Artikel über unterschiedlichste Vertriebswege in maximaler Produktqualität anbieten zu können ist zweifelsfrei die logistische Königsklasse in den Verteilzentren des LEH. Um hier als Partner die richtige, ganzheitliche Lösung mit dem optimalen Mechanisierungsgrad zu entwickeln, bedarf es vor allem umfangreichen Knowhows: Über Produkte und Temperaturbereiche, Spezifika der unterschiedlichen Märkte, Lieferanten, Ladungsträger, Produktverpackungen und Vertriebswege – von der Filiale bis zum Online-Handel.» Ebenso wichtig wie der eigentliche Lager- und Kommissionierprozess seien die automatisierte Konsolidierung sowie die anschliessende tourengerechte Bereitstellung im Versand.

Beileibe nicht alles ist Wurst

Betrachte man die Frische im Detail, bestehe bereits eine der Herausforderungen in der Separierung der Temperatur-Bereiche: Tiefkühl, Molkereiprodukte, Fleisch und Wurstwaren, frischer Fisch oder Obst und Gemüse. Bisweilen gehen diese Aufteilungen sogar noch darüber hinaus. «Es ist wichtig, ob Obst und Gemüse Ethylen-abgebend oder Ethylen-aufnehmend ist, welche Luftfeuchte vorherrscht und vieles mehr», erklärt Kick.

Speziell in Frankreich gebe es im Frische-Umfeld sehr breite Artikelsortimente. «Die Störhäufigkeit ist – trotz einfachster Verpackung – meist gar nicht das Problem. Wichtig ist, dass IT und Mechanik exakt parametriert sind und der Schlicht-Algorithmus exakt passt, sodass keine Joghurtsteigen beschädigt werden und die Maschine verunreinigt wird».

«Es ist eine echte Kunst, Frische in Frankreich wirtschaftlich und effizient zu fahren. Bis zu 7.000 Produkte – als Sackware, Steige oder Palette noch dazu vieles davon im No-stock-Prozess inkl. Vereinnahmung und Vereinzelung von Mischpaletten.» Kick und seine Kollegen:innen beherrschen diese Kunst. Die FPM (Flow Picking Machinery) unterstützt sie seit einigen Monaten dabei. Das System ist verwandt mit dem OPM, kommt aber ohne Vorratshaltung und eigenes Paletten-Hochregallager aus.

Piece-Picking. Fotos: Witron

Es nutzt die COM-Technologie um die im Traylager gepufferten Waren filialgerecht zu kommissionieren. In Frankreich wurde die Lösung – erstmals realisiert für E.Lecerc am Standort Castelnaudary – mit dem renommierten Logistikpreis «Rois de la Supply Chain» ausgezeichnet und als Quantensprung in der automatisierten Frische-Supply-Chain bezeichnet.

Daniel Kick ist davon überzeugt, dass sich die neue FPM-Lösung in Frankreich und England durchsetzen wird. «Auch in Kanada tickt der Markt ähnlich und es kommen zunehmend Anfragen nach Flow-Through-Just-in-Time-Lösungen.»

Witron-Kunden fahren unterschiedliche Automatisierungsstrategien, die auch den nationalen Besonderheiten geschuldet sind. In Spanien ernten die Mitarbeitenden das Obst und Gemüse direkt in Behälter. «Gut 95 Prozent der Frische-Produkte eines spanischen Food-Retailers werden in Behälter im Verteilzentrum angeliefert. Da brauchen wir keinen besonderen Schlichtalgorithmus zu beachten. Deshalb setzen wir auf unsere Systeme BOS (Box Order System) und ATS (Automated Tote System).» Ganz so trivial ist es dann aber auch nicht, denn im Lager muss bis in die Filiale gedacht werden. «Im Supermarkt wollen die Mitarbeitenden die Behälter nicht nur in der richtigen Reihenfolge verräumen, sondern schwere Behälter auch ergonomisch greifen.»

Jeweils unterschiedliche Anforderungen

Eine weitere Herausforderung sei der No-Stock-Ansatz der Spanier. «Wenn pro Stunde 600 bis 700 Paletten im Wareneingang ankommen und eine kurze Durchlaufzeit gewünscht ist, dann ist das für uns weniger ein mechanisches, sondern vielmehr ein IT- und Materialfluss-Thema, um den Durchsatz beherrschen können.»

Im Gegensatz zu Deutschland laufen Anlagen in Nordamerika zumeist 24/7. Das ist zwar gut für die Automatisierung, aber die Herausforderung dort ist eine ganz andere. «Wir haben es in den USA und Kanada mit Kartonagen, Kisten und Steigen zu tun, die teilweise durch das für die Produkt-Kühlung eingesetzte Eis aufgeweicht werden (Wet Produce). Das ist sehr anspruchsvoll für die Mechanik – aber lösbar. Die Standardisierung in der Verpackung ist hier noch nicht so weit fortgeschritten wie in Europa. Deshalb setzen viele Kunden auf das OPM, was mit einer Vielzahl unterschiedlichster Verpackungen flexibel umgehen kann.»

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