Linde Material Handling produziert ab sofort in Aschaffenburg grünen Wasserstoff für 21 Brennstoffzellen-Stapler. Die direkt im Werk installierte Anlage, die vom deutschen Verkehrsministerium unterstützt wird, ging am Donnerstag in Betrieb.

Neben der angestrebten Klimaneutralität sei vor allem das schnelle Betanken der Flurförderzeuge mit Wasserstoff bei intensiven Mehrschichteinsätzen ein grosser Vorteil. «Eine dreiminütige Betankungszeit entspricht einer vergleichbaren elektrischenLadeleistung von ca. 480 kW», so Prokosch, Chef des Marken-Managements, anlässlich der Eröffnung.

«Bei der Suche nach möglichen Lösungen sehen wir Wasserstoff als eine Option im Energiemix der Zukunft.» Das gelte nicht zuletzt für Anwendungen in der Intralogistik.

Darüber hinaus könne der Energieträger bei einer zukünftig stärkeren Nutzung regenerativer Energiequellen auch als Energiespeicher fungieren, um beispielsweise mittels Photovoltaik oder Windkraft erzeugten Strom zwischenzuspeichern. «Wir wollen die gesamte Bandbreite an Energieversorgungslösungen im Portfolio haben. Mit dieser Strategie bleiben wir offen für unterschiedliche Entwicklungen. Denn keiner weiss heute so genau, wohin die Reise am Ende tatsächlich geht», erklärte der oberste Markenverantwortliche.

Rund 2,8 Mio. Euro flossen in die Planung und Errichtung der Wasserstoff-Infrastruktur. Die Produktionsanlage entstand in einer Bauzeit von elf Monaten auf einer 280 qm grossen Bestandsfläche an einer verkehrsgünstigen Stelle innerhalb des Fertigungs- und Montagewerks. Rund 50 Subunternehmen waren unter der Regie des Generalunternehmers Covalion, einer Marke der Framatome, und der Bauabteilung von Linde MH an der Errichtung der Wasserstoffinfrastruktur beteiligt.

Abb.: Linde MH

Die Anlagenteile der Wasserstoff-Infrastruktur verteilen sich auf mehrere Module. Herzstück ist ein PEM(Polymer-Elektrolyt-Membran)-Elektrolyseur, der auf eine Produktionsmenge von 50 kg Wasserstoff pro Tag eingestellt ist. Hier wird gereinigtes und deionisiertes Trinkwasser mithilfe von grünem Strom in Sauerstoff und Wasserstoff zerlegt. In einem weiteren Container wird der Wasserstoff stufenweise auf 450 bar komprimiert und gelangt anschliessend über Rohrleitungen und Ventile in die Hochdruckspeicher. Ein softwaregesteuertes Ventilsystem regelt die Zuleitung zum Dispenser, der Zapfsäule. Hier schliessen die Mitarbeiter die Fahrzeuge mit wenigen Handgriffen an. Der Hochdruckspeicher ist so ausgelegt, dass er bei 450 bar bis zu 120 kg Wasserstoff speichern kann, um Abnahmespitzen durch vermehrtes Tanken zum Schichtwechsel abzudecken.

Die insgesamt 21 bisher im Werk eingesetzten Elektrogegengewichtstapler mit Brennstoffzellenhybridsystem, davon zwölf Linde E50 mit 5 t Tragfähigkeit sowie neun Linde E35 mit 3,5 t Tragfähigkeit, ersetzen bisher eingesetzte Modelle mit Verbrennungsmotor. Als Teil der Werksflotte übernehmen sie unter anderem das Be- und Entladen von Lkw und die Versorgung der Montagebänder mit grossen und schweren Komponenten wie beispielsweise Gegengewichten, vormontierten Rahmen oder Fahrerkabinen. Die Fahrzeuge stossen im Betrieb keine Emissionen aus. Im Brennstoffzellensystem des Flurförderzeugs reagieren der Wasserstoff und der Sauerstoff der Umgebungsluft. Die erzeugte elektrische Energie lädt eine Lithium-Ionen-Batterie auf, die den Stapler antreibt. «Nebenprodukte» sind lediglich Wasser und Wärme.

Neben den Linde-Staplern kommen weitere technische Lösungen des Unternehmens zur Anwendung. Beispielsweise sorgt die explosionsgeschützte Zugangskontrolle der Flottenmanagementlösung Linde:connect dafür, dass nur berechtigte und geschulte Personen die Wasserstoffanlage benutzen können. Die Ex-geschützte Sicherheitsassistenzlösung «Safety Guard» am Dispenser und in den Fahrzeugen reduziert automatisch die Geschwindigkeit der Stapler im Umfeld der Tankstelle. Last, but not least ermöglicht die Energiemanagementlösung «Linde Energy Manager» eine intelligente Planung und Steuerung des Energiebedarfs am gesamten Standort, vermeidet Stromlastspitzen und dient der Kostenoptimierung.

Bereits im Jahr 2000 entstand der erste voll einsatzfähige Staplerprototyp mit Brennstoffzellenantrieb. Seit 2010 sind die Brennstoffzellenstapler in die Serienproduktion integriert und Stand heute können 80 Prozent der Baureihen, darunter Gegengewichtstapler, Schlepper und Hochhubwagen, als «kundenspezifische Lösung» mit H2-Antrieb bestellt werden.

In etlichen Studien und Projekten zeigte Linde MH mit Partnern aus Wirtschaft und Wissenschaft, unter welchen Voraussetzungen Brennstoffzellenstapler marktfähig und heute schon wirtschaftlich sind. Das gilt insbesondere dann, wenn vor Ort bereits eine Wasserstoffinfrastruktur vorhanden ist oder hochreiner Wasserstoff als Abfallprodukt im betrieblichen Prozess anfällt. Infrage kommen Brennstoffzellenstapler zudem im Mehrschichtbetrieb mit intensiven Einsätzen und hohen jährlichen Betriebsstunden im Innenbereich oder bei begrenzten Flächen für Lade- oder Batteriewechseleinrichtungen, die zudem eingespart werden sollen.

Parallel zum Bau der Wasserstoffinfrastruktur in Aschaffenburg wird die Entwicklung und Produktion von eigenen Brennstoffzellensystemen im Mutterkonzern der Kion vorangetrieben. Zur Messe LogiMAT stellte Linde MH das erste eigene 24-Volt-System für Lagertechnikgeräte vor, das am Standort Aschaffenburg entwickelt wurde.

Für die Entwicklung eines 48-Volt-Brennstoffzellensystems arbeitet das Team an einer schnellen Umsetzung. «Indem wir die Entwicklung von Brennstoffzellensystemen und Lithium-Ionen-Batterien ins Haus geholt haben, bietet sich zukünftig auch die Chance, eigene, vollintegrierte Brennstoffzellen-Hybridsysteme zu konzipieren, die genau auf die Anforderungen von Flurförderzeugen zugeschnitten sind», meint Prokosch.

www.linde-mh.de