Routenzug in Herrenberg

Trotz aller Automatisierungs-Schübe hinterliess die Pandemie Spuren bei den Intralogistik-Anbietern. Vor allem der Stahlpreis störe, sagt Philipp Hahn-Woernle, CEO der Viastore-Gruppe. Dafür schafft die Digitalisierung neue Spielräume. IT sorgt für steigenden Umsatz und Transparenz in Materialflüssen und Lieferketten.

Die Industrie selbst litt bekanntlich unter Liefer-Engpässen bei Rohstoffen und Vorprodukten, hartnäckig auch unter Ausfällen bei den Microchips, die Premium-Autohersteller ins Mark trafen. Die Probleme beim Stahl konnten Viastore insofern nicht kaltlassen, als zwar die Nachfrage nach Lagersystemen ungebrochen war, aber die Preiskalkulation gegenüber Kunden durcheinander geriet, wie Hahn-Woernle anlässlich des jährlichen Pressegesprächs in Stuttgart – virtuell per Videokonferenz – einräumen musste. «Das Weiterreichen der Kosten war 1:1 einfach nicht möglich», so der Unternehmens-Chef. «Wir mussten viele Gespräche führen».

Zu den Hemmnissen, die es – mit oder ohne Corona – weiterhin geben wird, gehört der Fachkräftemangel. Wobei dieser Umstand natürlich das richtige Stichwort für Intralogistik-Anbieter wie Viastore ist, die hier auf ihr umfangreiches Automatisierungs-Spektrum setzen können. Angesichts der Engpässe während der Covid19-Phasen hätten viele Unternehmen erkannt, «dass sie hier nachrüsten müssen» (Hahn-Woernle).

Rein theoretisch alles papierlos.

Nachhaltigkeit und Digitalisierung stehen hoch im Kurs. Auch Standorte und Zulieferer, die bislang gern über die ganze Welt verteilt wurden, werden hinterfragt. Transparenz in der Supply Chain sei erwünscht. «Das kann nur eine hochwertige IT schaffen».

In 2020 war Viastore einigermassen zufrieden mit der nachhaltigen Aufstellung des Unternehmens, die für 140 Mio. Euro Umsatz gut war. Hahn-Woernle: «Wir wussten aber nicht, wie es 2021 laufen würde. Jetzt herrscht Optimismus auch für 2022. «Wir werden 2022 voraussichtlich auf 150 Mio. Euro Umsatz kommen». 2024 soll die 200-Mio.-Euro-Marke erreicht werden.

Interessant ist, dass Viastore inzwischen ein Office für Globales Projektmanagement eingerichtet hat. Jeweils ausgesuchte Ansprechpartner können jede Baustelle auf der Welt und Baufortschritte sowie Anlieferungen in Echtzeit und die «Performance» der Intralogistik- und Automatisierungs-Komponenten verfolgen. Harald Göbel, Chef der Viastore Software-Tochter: «Wir tauchen immer weiter ein in die Materialfluss-Prozesse der Kunden». Bis hinein in den Materialfluss von Produktion und Montage. «Das ergibt völlig neue Schübe in der Industrie». Neue Lastaufnahme-Mittel und innovative, IT-gesteuerte Prozesse leisten ihren Beitrag dazu. Aber vor allem der Software-Bereich habe «nie geschlafen», sagt Hahn-Woernle. Der Software-Bereich habe aktiv weitergemacht und ein fulminantes Wachstum verzeichnet.

Führungsteam mit H.Goebel, A.Zschernig, Ph.Hahn-Woernle, Th. Hibinger (v.l.n.r.)

Auch In Nordamerika sei mittlerweile das Interesse an Automatisierungs-Lösungen gestiegen. Nicht etwa, um im Stammgebiet des «Kapitalismus» möglichst viele Arbeitskräfte einsparen und ersetzen zu können, sondern getrieben von deutlichem Mangel an qualifizierten Mitarbeitenden. Praktisch «notgedrungen» werde hier die Automatisierung vorangetrieben.

Viastore fokussiert nach wie vor die produzierende Industrie. Bei einem Anbieter von Prozessmesstechnik übernahm der Systemintegrator den Ausbau, die Zentralisierung und Automatisierung der Intralogistik. Für den innerbetrieblichen Transport der Produkte wurde der Soto 2 von Magazino «eingespannt», der völlig autonom agiert. Auch der langjährige Kunde Phoenix Contact, Hersteller von Elektronikprodukten, profitierte: In Herrenberg wurden Produktion und Logistik neu strukturiert. Mit einem Lagerneubau, Routenzügen und automatisierten Be- und Entladestationen konnten sowohl die Lieferperformance gesteigert als auch die Basis für eine einfache Erweiterung in der Zukunft geschaffen werden. Im nordrhein-westfälischen Blomberg setzt Phoenix auf ein fahrerloses Transportsystem zur Produktionsversorgung – um flexibel und kurzfristig auch kleine Losgrössen fertigen zu können. Das ergab nicht nur 85 Prozent weniger Umlaufbestände, sondern gleichzeitig mehr Fläche für weitere Fertigungsanlagen.

Mit einem der weltweit grössten Lebensmittelproduzenten hat Viastore ausserdem ein besonderes Pilotprojekt in Spanien realisiert und das Shuttle-Lagersystem Atlas 2D integriert. Der Clou des Paletten-Systems: Die Shuttles können sich sowohl in den Lagerkanälen als auch in der Hauptfahrgasse bewegen und übernehmen den Richtungswechsel eigenständig.

Fotos: Viastore/A1

Thomas Hibinger, COO von Viastore-Systems, berichtet von Projekten bei Kaeser Kompressor, thyssenkrupp elevator, KSB, Varta, Elektrolux und Claas. «Viele sind schon sehr lange mit uns unterwegs». Auch namhafte Retrofit-Umsetzungen bei Rettenmaier und IKEA verliefen erfolgreich.

Bei «Maison du Monde» im französischen Heudebouville, Spezialist für schwere Möbel, sorgte Viastore durch bessere Durchstrukturierung für die Einsparung von 50 % an Lagerfläche, bei der Verladung auf Lkws werden inzwischen 30 % weniger an Volumen benötigt, weil dichter gepackt wird.

Ein wenig Stolz schwingt mit, dass in Detroit bei einem der grössten Autohersteller der Welt die «Factory» für Batterien von Elektroautos mithilfe von Viastore-Equipment auf «Zero Emission» setzt. Weitere Anlagen seien in Mexico und im Südosten der USA geplant.

Ein neues Regalbediengerät für höhere Lasten mit neuem Mast- und Hubwerks-Konzept soll in Höhen von zehn bis 45 m arbeiten und Zuladungen bis 2400 kg bewältigen. «In diesem Bereich hatten wir bisher eine Lücke», heisst es. Noch in Entwicklung sei ein Kanal-Shuttle zur mehrfachtiefen Paletten-Lagerung.

Trotzdem flattern, auf Präsentations-Videos zu sehen, in Kundenbetrieben trotz aller «papierlosen» Neuerungen, ab und zu nochmal Zettel herum. Das, sagt Goebel, sei auch eine Frage der jeweiligen Handhabung der Mitarbeitenden beim Kunden. Andere brauchen eben einfach nochmal eine herkömmliche Art der Visualisierung. Hahn-Woernle: «Manche kommen auch zwischendurch mal besser mit einer ausgedruckten CAD-Zeichnung zurecht». Rein theoretisch werde kein Papier mehr gebraucht, sagen die Software-Fachleute.

www.viastore.com