Sie nennen ihn den «Mann für´s Grobe». Doch wenn´s um die Forschung geht, leistet er Feinarbeit. Pietro Lura leitet die neu geschaffene Forschungsabteilung «Beton & Asphalt» an der Empa und baut auf dauerhafte Materialien, die sich auch im Verkehrsbereich immer wieder neuen Bedingungen stellen müssen.

Die Tätigkeitsbereiche seines Teams – Zementchemie, Betontechnologie, Asphalt und Strassenbau – passen perfekt zu den Zielen des Empa-Forschungsschwerpunkts «Sustainable Built Environment». Dazu gehören Gebäude als Wohn- und Arbeitsstätten, zeitgemässe Verkehrsnetze und als Infrastrukturen die zuverlässige Versorgung mit Energie, Wasser und Informationen.

Keine leichte Aufgabe, wenn man bedenkt, dass Beton und Asphalt mit einem jährlichen Bedarf von über 4.5 Mrd. Tonnen den Löwenanteil aller weltweit verwendeten Materialien darstellen. Zwar hat diese enorme Menge einen grossen Anteil an den globalen CO2-Emissionen. «Doch gerade darum bedeuten optimierte Materialeigenschaften auch unmittelbar eine enorme Reduktion der CO2-Belastung, die durch diese Baustoffe verursacht werden», erklärt der Bauingenieur.

Ohnehin ist dem Forscher, der seit zwölf Jahren an der Empa arbeitet und seit 2011 eine Titularprofessur am «Institute for Building Materials» der ETH Zürich innehat, keine Aufgabe zu gross. Auf seinem Berufsweg zog es ihn in die Ingenieurswissenschaften, unter anderem an Universitäten in Italien, den Niederlanden, Dänemark und den USA. In der Schweiz arbeitet er in einem grossen Forschungsfeld mit internationaler Konkurrenz. «Alles eine Teamfrage», findet Lura. Seine etwa 40-köpfige Abteilung weist mit ihrer Forschungsexpertise ein Alleinstellungsmerkmal im ETH-Bereich auf und hat damit eine hohe Relevanz für Entscheidungsträger wie das Bundesamt für Strassen (ASTRA). Kooperationen mit Industriepartnern und Forschungsinstitutionen auf internationalem Niveau sind bereits etabliert.


Zement und Bitumen, die Bindemittel, auf denen Beton und Asphalt basieren, wurden zwar schon in der Antike verwendet. Heute geht die Forschung aber völlig neue Wege, um die chemischen Eigenschaften der hochkomplexen Materialien zu analysieren, die Baustoffe zu optimieren oder gar mit völlig neuen Funktionen auszustatten. Beide Baustoffgebiete setzen hierbei auf neueste Methoden, etwa aus der Digitalisierung (Künstliche Intelligenz, «Machine Learning», «Big Data» und Computersimulationen), der Fertigungstechnologie («Additive Manufacturing») und dem Bereich der Materialcharakterisierung.

«Unser Ziel ist es, die Prinzipien der Kreislaufwirtschaft umzusetzen, indem wir neue Komposit-Materialien entwickeln, das Cross-Recycling von Asphalt und Beton ermöglichen und alternative Bindemittel analysieren», sagt Lura und fügt hinzu: «Eine spannende Aufgabe in einem global stetig wachsenden Markt.»

Der Anteil des weltweiten CO2-Ausstosses, den die Zementindustrie verursacht, macht derzeit rund sieben Prozent aus. Dieser dürfte künftig allerdings ansteigen, da der Bedarf in Asien und zunehmend auch in Afrika wächst, während die Produktion in Europa stabil ist. Wenn die Empa-Forschenden an der Entwicklung neuer Zement- und Bitumen-basierter Materialien arbeiten, ist ihr Ziel, weniger schädliches Klimagas entstehen zu lassen – oder sogar CO2 aus der Atmosphäre zu bannen. Derzeit werden rund 700 Kilogramm CO2 bei der Herstellung jeder Tonne Zement frei.

So forscht sein Team an reduzierten Brenntemperaturen und veränderten Rohstoff-Rezepten. Alternative Inhaltsstoffe wie Hochofen-Schlacken oder Abfallprodukte aus der Elektronikindustrie werden auf Verfügbarkeit und Eigenschaften abgeklopft. Für Beton wie Asphalt, sagt Lura, gelte: «Der Recyclingprozess von abgebrochenen Gebäuden und Strassenbelägen kann noch deutlich optimiert werden».

Als langjähriger Chefredaktor hat er auch die Fachzeitschrift «Materials and Structures» betreut. Lura geht aber noch einen Schritt weiter, denn er hat darüber hinaus stets das Prinzip des «open access», also der freie Zugang zu den Ergebnissen öffentlich finanzierter Forschung, verfochten. Forschende sollen mit der Welt verbunden werden, und die Welt solle Einblick in deren Forschung erhalten. «Es ist wichtig, Fortschritte der wissenschaftlichen Community der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.»

Text und Fotos: Sara Keller / Empa

 

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