Zum Auftakt des Logistik-Zukunftskongresses in Dortmund zitiert Michael ten Hompel, Chef des Fraunhofer-IML, Schenker-CEO Jochen Thewes: «Hat man erstmal verstanden, um was es geht, ist es bestechend einfach. Jedes Unternehmen kann für sich allein Mio. in die Digitalisierung versenken. Man kann aber auch gemeinsam voranschreiten».

Die sogenannte «Silicon Economy» und mit ihr die «Open Logistics Foundation» haben immer noch Erklärungsbedarf. Inzwischen kommen aber gleich noch weitere Wortschöpfungen und -Ungetüme wie das «Silicon Economy Kontinuum» hinzu, die für diejenigen, die noch nicht komplett von der Digitalisierung überzeugt sind, durchaus zu Verwirrung, wenn nicht gar zum Abwinken führen könnten. Erklärtermassen wollen die Fraunhofer-Forscher jedoch «alle» mitnehmen.

Zum Auftakt des bekannten «Zukunftskongresses» der Logistik in Dortmund sehen sich Organisatoren und Veranstalter daher erneut gezwungen, das Wesen dieser neuen «Handlungsräume» zu erläutern. Denn während die Einen bereits in völlig neue Sphären abheben, haben andere immer noch genug damit zu tun, simple Waren und Lieferungen von «A» nach «B» zu bringen. Zu erklären, dass und wie beides zusammengehört, wird wohl noch längerer Überzeugungsarbeit bedürfen.

Wie dem auch sei, sind «100 % Digitalisierung» für die Fraunhofer-Forscher natürlich längst keine blosse Vision mehr, sondern ein Raum, eine Art «Dorado», der Logistik-Variante eines «Silicon Valley» mit gemeinsamen Standards und Schnittstellen, in dem es per Software und einem für jeden zugänglichen «Open Source Repository» Schätze zu heben gilt. Ein Werkzeugkasten, auf den jeder zugreifen und dessen Komponenten – meist Software - als Kommunikations-Schnittstelle jeder, der dies möchte, im eigenen Unternehmen installieren kann. «Natürlich ist vieles wie Track&Trace längst bekannt» - und manchem fast schon müssig zu erwähnen, meint ten Hompel. Aber als Open Source und dazu verwendet, von einem gemeinsamen Einstiegs-Niveau als Allgemeingut ausgehend Weiterentwicklungen zu betreiben, bekomme das eine neue Dimension». (…) «Wenn Sie ein Unternehmen gründen oder ein start-up ins Leben rufen, dann nutzen Sie diese Quellen!». Die «Absprunghöhe» sei damit gegeben, um bereits vorhandene Techniken gemeinsam anwenden und darauf aufgesetzt fortentwickeln zu können.

J.Thewes

Wieder mal passiert ein ganzes Kaleidoskop an Innovationen vom zweirädrigen, Segway-artig, aber mit Greifern ausgestatteten evoBOT über den Allrad Paletten-Robot «Odyn» bis hin zu Laserprojektionen, die «künftig auch ohne Brille» Wege und Positionierungen im Lager anzeigen, die Bühne des Fraunhofer-IML.

«Lassen Sie uns eine schlagkräftige `Community´ bilden», wirbt der IML-Chef für den grossen Wurf der Open Logistics Foundation und der offenen «Repository»-Plattform, «um gemeinsam mit US-amerikanischen und chinesischen Freunden die Sache voranzubringen».

Tatsächlich, sagt ten Hompel unter Hinweis auf eine Produktankündigung Elon Musks auf Ende September, gehe die Tendenz, die zeitweise eher auf reine Funktionalität gezielt habe, schon wieder in Richtung der humanoiden Gestaltung robotischer Helfer.

Digitalisierung und Datensysteme sind auch für Oliver Luksic, den Beauftragten für Güterverkehr und Logistik der deutschen Bundesregierung per Grusswort unabdingbar.

Odyn

Steffen Bersch, CEO von ssI Schäfer und seit einiger Zeit Vorsitzender des Fachverbandes Intralogistik und Fördertechnik im VDMA, sieht Lagertechnik und Distributionszentren als wesentliche Bausteine in der Supply chain. Ein «kleines Problem, unter dem wir gegenwärtig leiden», sei in der Tat der Mangel an Arbeitskräften. Schlüssel, dies zu lösen, seien die Connectivität und der Grad der Automatisierung. Es gebe allerdings auch neue «Pain Points», neue Fragen, die auftauchen. Notwendig seien KI-Methoden, um diese in ihrer Komplexität überhaupt erfassen und auch bewältigen zu können. Die Open Logistics Foundation mit ihrem offenen Angebot sei hier genau richtig, um weiterzukommen. Bersch: «Das Lager ist kein geschlossener Mikrokosmos, sondern ein Dreh- und Angelpunkt». Die Open Logistics Foundation sei eine Art «Unified Commerce» von der Produktion bis hin zum Point of Sale, der in Europa eine prominente Rolle spielen könne.

M.t.Hompel, St.Bersch, R.Düster (v.l.n.r.)

Ralf Düster, CEO des Software-Anbieters Setlog, antwortet auf die Frage, ob Unternehmens-Chefs nicht «Kopf und Kragen» riskieren, wenn sie «Open Source» verwenden: «Durch leichteren Datenaustausch kommen wir schneller zu aktuellen Lösungen. Wir müssen das nutzen – und uns nicht ewig von Vorn mit den «Basics» aufhalten. Es gibt immer noch zuviele Leute, die sich mit manuell ausgefüllten Exel-Tabellen beschäftigen und Milliarden von E-Mails, die hin- und hergeschickt werden, ohne tatsächlich intelligent Daten auszutauschen». Die direkte Frage in die Teilnehmer-Runde, wie offen denn beispielsweise ssI Schäfer mit Open Source-Elementen umgehe, ist für Bersch mit einigen Überlegung verbunden. «Natürlich müssen Sie in ihrem Unternehmen die jeweils eigenen Alleinstellungs-Merkmale beachten. Das muss klar definiert werden. (…) Aber auf dieser Grundlage können Sie aktiv werden und damit dann schneller vorankommen».

Am zweiten und dritten Kongresstag findet das Fraunhofer-Symposium mit themenspezifischen Sequenzen rund um die Zukunft der Logistik statt. Expertinnen und Experten diskutieren dabei unter anderem über die Digitalisierung von Ladungsträgern, die datenbasierte Optimierung der Intralogistik, Leise Logistik in Städten und Häfen sowie die Möglichkeiten von Co-Creation mithilfe von digitalen Plattformen. Ausserdem stellen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Fraunhofer IML an allen drei Kongresstagen in der »Digital Sandbox« ihre aktuellen Entwicklungen direkt aus der Forschung vor.

www.zukunftskongress-logistik.de